Lea van Acken in einer Szene aus dem Film "Das Tagebuch der Anne Frank", der am 03.03.2016 in die Kinos kommt.
Foto: epd-bild/Universal Pictures Germany
Lea van Acken in einer Szene aus dem Film "Das Tagebuch der Anne Frank", der am 03.03.2016 in die Kinos kommt.
Erinnerungen an ein zu kurzes Leben
Ein überzeugendes Darstellerensemble unterstützt die junge Entdeckung Lea van Acken beim soliden Versuch, das bewegendste persönliche Zeugnis der Nazizeit auf die Leinwand zu bringen: "Das Tagebuch der Anne Frank".
03.03.2016
epd
Manfred Riepe

Es ist kein Klagegesang. Mit Witz und wachem Blick für Details schildert die begabte junge Autorin Anne Frank das tägliche Bangen und die vielen Beinahekatastrophen im erzwungenen Zusammenleben von acht verfolgten Juden, die sich im Hinterhaus einer Amsterdamer Kleinfabrik auf weniger als 60 Quadratmetern zwei Jahre und zwei Monate erfolgreich vor Nazischergen und Denunzianten verstecken konnten. Aus dieser ungewöhnlichen Perspektive wird im "Tagebuch der Anne Frank" der Irrsinn der Nazidiktatur konzentriert wie kaum sonst vor Augen geführt.

An filmischen Annäherungen mangelt es nicht. Audrey Hepburn sollte ursprünglich die Titelrolle in George Stevens' Adaption von 1959 übernehmen. Der Dokumentarfilm "Anne Frank - Zeitzeugen erinnern sich" gewann 1996 den Oscar. Und das Dokudrama "Meine Tochter Anne Frank", im vergangenen Jahr von der ARD ausgestrahlt, reflektiert über die Gründe, warum diese junge Frau ihr später weltberühmt gewordenes Tagebuch überhaupt schrieb.

Kaum überraschende Akzente

In seiner Neuverfilmung wählt Hans Steinbichler dagegen einen recht emotionalen Zugang. Gleich in der ersten Szene hält Anne eine glühende Ansprache direkt an den Kinozuschauer - der ihr tragisches Ende ja schon kennt. Dabei orientiert der sorgfältig ausgestattete Film sich eng an der Vorlage. Denn im Gegensatz zu den meisten anderen Adaptionen, die auf Originalzitate verzichten mussten, kann Fred Breinersdorfer sich mit seinem Drehbuch aufgrund der Rechtslage auf das Tagebuch stützen.

Sein Destillat des 300-seitigen Werks führt die psychologisch aufgeladene Situation, die man sich kaum auszumalen vermag, stimmig vor Augen. Die gefängnisartige Enge, in der die pubertierende junge Frau gegen ihre Mutter rebelliert, ihren Vater anhimmelt und schließlich das Aufkeimen sexueller Empfindungen für einen Jungen erlebt - all das wird nicht reißerisch überzogen. Die zuweilen etwas altklugen, dann aber wieder überraschend empfindsamen Gedanken dieser Rebellin klingen aus dem Mund der jungen Lea van Acken durchaus glaubhaft. Auch an Ulrich Noethen und Martina Gedeck als Eltern gibt es nichts auszusetzen.

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Rückblenden illustrieren fantasierte Fluchten in jene unbeschwerte Zeit, bevor die Familie untertauchen musste. Strahlend helle Bilder aus dem schweizerischen Sils Maria machen die klaustrophobische Enge des Verstecks aber vor allem für den Zuschauer erträglicher. Wer die tapferen Menschen, die so lange durchgehalten haben, schließlich denunzierte, lässt auch diese Verfilmung offen. Mit ihren Leidensgenossen, von denen nur der Vater überlebt, wird Anne in einen stockdunklen Lkw gesperrt. Panikartig schreit sie nach Licht. Dieses Schlussbild wäre unter die Haut gegangen. Wie angeklebt wirkt dagegen der Epilog, in dem Annes Mutter im KZ die Haare geschoren werden.

Breinersdorfers und Steinbichlers Annäherung an Anne Frank ist redlich, setzt aber kaum überraschende Akzente. Die gediegene Visualisierung erschließt keine neue Dimension. Wer nach dem Kinobesuch das Tagebuch selbst wieder aufschlägt, wird feststellen, wie schnell die Filmbilder dagegen verblassen.