Was machen die "Tierärzte ohne Grenzen"?
Da leistet eine Organisation wie Tierärzte ohne Grenzen Hilfe: Durch reine tiermedizinische Arbeit wie Krankheitserkennung, Krankheitsbehandlung, zum Beispiel mit Entwurmungskampagnen, oder Krankheitsvorbeugung durch Impfkampagnen. Bei den Impfkampagnen fokussieren wir uns zum einen auf Nutztiere: auf Ziegen, Schafe, Kamele und Kühe. Aber auch auf Hunde. Unser Hunde-Impfprogramm gegen Tollwut ist ein wichtiges Projekt: Die Hunde-Tollwut ist auf Menschen übertragbar, insofern stellt sie auch für Menschen - insbesondere die Kinder - eine gefährliche Krankheit dar. Bis zum Jahr 2030 soll die Tollwut so weit reduziert sein, dass weltweit kein Mensch mehr daran stirbt.
Sie helfen also nicht nur Tieren, sondern auch Menschen...
Zaspel: Ein Teil der Arbeit, den wir in Afrika leisten, besteht darin, die Lebensmittelqualität zu verbessern. Ein Beispiel: Die Menschen melken ihre Tiere und es kann viel Zeit vergehen, bis diese Milch auf den Markt kommt - bei sehr geringen Hygienestandards. Die Hirten füllen die Milch in alte Plastikkanister, die nur schwierig zu reinigen sind - also werden sie auch kaum gereinigt. Einmal haben wir einen solchen Kanister aufgeschnitten: Darin wachsen alle möglichen Keime. Die Qualität der Milch ist oft entsprechend schlecht. In einem unserer Projekte haben wir die Kanister gegen Alu-Milchkannen ausgetauscht und die Hirten zu den Themen Hygiene und Kühlungsmöglichkeiten geschult. Das hat die Milchqualität deutlich verbessert und dazu beigetragen, dass nun höhere Erlöse erzielt werden können.
Außerdem machen wir Krisenprävention: Wie aktuell auch, gibt es in dieser Region extreme Dürren. Die Menschen müssen dann zum Beispiel darauf achten, dass sie Tierbestände rechtzeitig verkleinern und schlachten, um mit dem wenigen Futter die besten Tiere durchzubringen. Sonst kann es passieren, dass alle Tiere so abgemagert und krank sind, dass die Menschen für sie nichts mehr erzielen können.
Sie haben in verschiedenen Projekten mitgearbeitet. Welches war besonders spannend?
Zaspel: Während meines Studiums war ich in der Mongolei und habe dort ein Kamelprojekt betreut. Später, nach meinem Abschluss, habe ich 2007 in Somalia für fast ein halbes Jahr in einem Projekt mitgearbeitet, wo es auch um Kamele ging: Dort und in Nordkenia sind reihenweise hochleistende Kamele gestorben. Für die Menschen, die von der Kamelmilch leben, sind diese Tiere unendlich wertvoll. Ohne jegliche Krankheitssymptome sind die Tiere plötzlich tot umgefallen. Die Menschen vor Ort nannten die Krankheit "Don’t fall on me", "Fall nicht auf mich drauf", denn zum Beispiel beim Melken konnte das durchaus passieren. Keiner wusste genau, was die Ursache war. Meine Aufgabe war es, möglichst viele Proben von den betroffenen Tieren zu sammeln und zu untersuchen.
"Man kann nicht allen Menschen helfen, aber ich bin gerne bereit, Zeit und Energie einzusetzen"
Welche Schwierigkeiten gab es dabei?
Zaspel: Dadurch, dass der Tod so plötzlich eintrat, war es fast unmöglich, schnell in der Nähe eines solchen Falls zu sein. Damals - 2007 - war gerade die Piraterie in vollem Gange, das heißt, dass die Sicherheitslage in Somalia sehr gefährlich war. Wir konnten unsere Unterkunft nur mit einer bewaffneten Gruppe von Polizisten verlassen, meistens sind wir dann mit drei Autos losgefahren. Hinzu kommt, dass die Versorgungslage sehr fragil war, und es Strom zeitweise nur über Generatoren gab. Andererseits gab es fast überall ein Handynetz, insofern wussten die Kamelhalter schnell, dass wir vor Ort waren, um ihnen zu helfen. Und wir konnten schnell informiert werden, wenn wieder ein Kamel starb - die Kommunikation hat erstaunlich gut funktioniert. Wenn ich allerdings nach oft stundenlanger Fahrt bei einem toten Kamel ankam, waren die Proben, die ich entnehmen konnte, meistens nicht mehr aussagekräftig - bei den extremen Temperaturen, die dort herrschen.
Konnten Sie das Kamelsterben trotzdem klären?
Zaspel: Nein, wir konnten die genaue Ursache nicht finden. Höchstwahrscheinlich war es eine virale Erkrankung, die einmal durch die gesamte Kamelpopulation ging. Epidemiologisch konnten wir gut nachvollziehen, dass sich die Erkrankung entlang der Wanderrouten der Kamele ausgebreitet hat - wahrscheinlich von Kamel zu Kamel übertragen wurde. Interessanterweise sind hauptsächlich die besten Tiere gestorben - das hing vermutlich mit deren täglicher Leistung zusammen, die den Kreislauf stark belasten kann. Nachdem diese Krankheit einmal durchgezogen ist und die Tiere eine entsprechende Immunität entwickelt haben, sind wohl keine Kamele mehr am plötzlichen Tod gestorben.
Wie sind die Arbeitsbedingungen in den ostafrikanischen Ländern?
Zaspel: In dieser Region sind die Witterungsbedingungen manchmal sehr schwierig: Zum Beispiel regnet es stark und manche Straßen sind dann plötzlich unpassierbar. Man sitzt irgendwo fest und kommt nicht weiter. Geduld und Gelassenheit ist etwas, was ich auf jeden Fall in dieser Zeit gelernt habe. Manchmal konnten wir tagelang nichts machen, weil irgendwo etwas hakte.
In Somalia ist es ja außerdem nicht gerade ungefährlich...
Zaspel: Das Land ist ein besonderer Fall, weil es ein großes Sicherheitsproblem hat. Vor allem im Süden Somalias war al Shabaab fest etabliert und kontrollierte große Landstriche. Sie ist Entwicklungshilfe aus westlichen Ländern gegenüber nicht positiv eingestellt. Das bedeutet, wenn wir dort arbeiten, ist unsere Bewegungsfreiheit aus Sicherheitsgründen oft sehr eingeschränkt. Im Norden ist es entspannter. Die Regierung, die sich dort gebildet hat, hat die Region relativ gut und sicher unter Kontrolle.
Hinzu kommt, dass die Menschen in Somalia sehr speziell sind: Es ist ein altes Kriegervolk, das Konflikte seit jeher kämpferisch gelöst hat. Wenn die Menschen miteinander sprachen, wirkte es, als würden sie sich anschreien - das hat mich sehr beeindruckt. Man meint, jeden Moment könne ein Handgemenge losgehen. Aber es ist einfach deren Art, miteinander zu kommunizieren, sehr laut und relativ aggressiv.
Kamen Sie auch mal an die Grenzen Ihrer Belastbarkeit?Zaspel: Nein, ich war immer offen für alle Unwägbarkeiten, so dass ich nie größere Probleme hatte. Einmal waren wir in Somalia unterwegs und haben in einem Gehöft unter freiem Himmel geschlafen, in einer Gegend, in der die Sicherheitslage brenzlig war. Das war eine Situation, die etwas schwierig war. Hinzu kam, dass mir dort ein Skorpion in den Schlafsack gekrabbelt ist und mich gestochen hat. Im Nachhinein weiß ich nicht, ob das kritisch war - passiert ist zumindest nichts.
Was bedeutet Ihnen die Arbeit bei "Tierärzte ohne Grenzen" persönlich?
Zaspel: Die Menschen in Ostafrika leben von minimalen Dingen und oft auf niedrigstem Standard. Wir in Europa und speziell in Deutschland leben in einem sehr großen Luxus - deshalb wollen ja auch viele Menschen hierher. Davon vielleicht ein wenig zurückzugeben. Natürlich kann man nicht allen Menschen helfen, aber ich bin gerne bereit, meine private Zeit und Energie einzusetzen, und davon abzugeben, so viel mir möglich ist. Mit der Erfahrung und der Expertise, die ich als Tierarzt habe, die Lebensumstände vor Ort im Kleinen verbessern. Das finde ich nicht nur fair, sondern es macht mich auch persönlich sehr glücklich.