Hopfen, Malz, Hefe und Wasser: 500 Jahre Bayerisches Reinheitsgebot für Bier

Die Brauer feiern in diesem Jahr 500 Jahre Bayerisches Reinheitsgebot für Bier. Für sie ist es ein Bestandteil deutscher Lebensart. Tatsächlich ist die Geschichte des Reinheitsgebotes aber alles andere als gradlinig.
22.02.2016
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Florian Naumann (epd)

München (epd)Deutschland gilt als "Bierland". Großen Anteil am guten Ruf des deutschen Bieres hat das Bayerische Reinheitsgebot. Da sind sich Brauer, Verbraucherschützer und Historiker einig. In diesem Jahr feiert der Deutsche Brauer-Bund den 500. Geburtstag des Reinheitsgebots. Aber abseits der Feierstunden gibt es auch einige Zweifel: am historischen Gehalt des Jubiläums, am Wert der aktuellen Regelung und an den Restriktionen, die mit ihr einhergehen.

Mythos größer als Historie

Aus Sicht des Regensburger Kulturwissenschaftlers Manuel Trummer etwa ist es schlichtweg "Quatsch", von einem uralten Reinheitsgebot zu sprechen. Der Mythos sei viel größer als die tatsächliche Historie, sagt er. Trummer veröffentlicht zusammen mit seinem Kollegen Gunther Hirschfelder im März eine "Geschichte des Bieres von der Steinzeit bis heute".

Der bayerische Herzog Wilhelm IV. und sein Bruder Herzog Ludwig X. erließen vor 500 Jahren, am 23. April 1516, eine Brauverordnung, die heute als Reinheitsgebot bekannt ist: nur Wasser, Hopfen und Gerste sollten ins Bier. Zuvor wurden gerne auch Zutaten wie Ochsengalle, Eichenrinde oder Schafgarbe dem Bier beigemischt.

Die Biertrinker vor gepanschtem Gerstensaft zu schützen sei aber nur einer von vielen Gründen für den Erlass gewesen, sagt Trummer. Ebenfalls auf der Agenda: das Ziel, ein lukratives Weizen- und Roggenbiermonopol für die Regenten zu errichten - oder auch das damals sehr populäre norddeutsche Einbecker Bier mit einer Image- und Qualitätskampagne vom bayerischen Markt zu drängen.

Diese zwei Ziele seien aufgegangen. Und schon einige Jahre später seien Zusätze wie Koriander, später auch Wacholder und Kümmel, wieder zugelassen worden, berichtet Trummer. "Wenn man es mal ganz klar ausdrücken will: Von seinen 500 Jahren war das Reinheitsgebot die meiste Zeit nicht in Gebrauch - und wenn, dann nur in kleinen Teilen von Deutschland." Der Erlass von 1516 galt nur für das Herzogtum Bayern, war aber später Vorbild für ähnliche Regelungen in umliegenden Regionen.

Erst Hunderte Jahre später sei eine deutschlandweit verbindliche Regelung in Gebrauch gekommen, sagt Trummer. 1871 griff Reichskanzler Otto von Bismarck die alte Idee auf. Als der Begriff "Reinheitsgebot" ins Spiel kam, habe man sogar bereits das Jahr 1918 geschrieben. Beide Male ging es um Protektionismus und den Versuch, die deutsche Brauwirtschaft zu stärken: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sei in Deutschland die Bier-Industrie erstarkt - und in Konkurrenz zu den weltweit erfolgreichen englischen Braumeistern getreten.

Und wie ist die Lage heute? "Zum Thema Bier haben wir eigentlich relativ wenig Beschwerden", sagt Jutta Saumweber von der Verbraucherzentrale Bayern. "Wenn es nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut ist, kann man sich auf jeden Fall sicher sein, dass nicht mehr Stoffe eingesetzt werden, als erlaubt sind." Und das sind heute: Wasser, Malz, Hopfen und Hefe.

Zusatzstoffe verboten

Sie verweist aber auch auf Hintertürchen in den geltenden deutschen Regelungen. Die werden mittlerweile vom Vorläufigen Biergesetz aus dem Jahr 1993 bestimmt. "Dass es bei der Bierherstellung technische Möglichkeiten gibt, in die wir keinen Einblick haben, damit muss man natürlich rechnen", sagt Saumweber.

Zugelassen ist etwa die Filtrierung mit dem Kunststoff Polyvinylpolypyrrolidon. Erlaubt seien nur Stoffe, die nicht im Bier verblieben, erklärt der Brauer-Bund dem Evangelischen Pressedienst (epd) hierzu. Es handle sich um einen "rein mechanischen Filterprozess". Weitere Stoffe, die in anderen Ländern zum Bierbrauen erlaubt sind, wie Malzersatzstoffe und Enzyme, seien in Deutschland verboten.

Für viele Teile der deutschen Brauerszene sind die Regelungen der Biergesetze sogar zu rigide - vor allem im Süden Deutschlands, wo keine Sondergenehmigungen für "besondere Biere" abseits des Reinheitsgebotes ausgegeben werden. Trummer plädiert deshalb dafür, das Reinheitsgebot als "Freiwillige Selbstbeschränkung" beizubehalten. Das erlaube es Spezialbrauereien, ausländische Spezialitäten zu brauen, andererseits erhöhe es aber auch die Glaubwürdigkeit des Reinheitsgebotes.

Er hält Klagen gegen die aktuellen Gesetze für möglich: In seinem derzeitigen Format seien Reinheitsgebot und Vorläufiges Biergesetz auch ein "Eingriff in die Berufsfreiheit" für einige Brauer, den es in der EU andernorts nicht gebe. Andererseits sei zu erwarten, dass die deutschen Brauereien angesichts des Marketingerfolgs an dem Label festhalten wollten. Das Bier nach Reinheitsgebot werde im "In- und Ausland als Bestandteil deutscher Lebensart" wahrgenommen, erklärt der Brauer-Bund: "Wir sehen keine Notwendigkeit zur Änderung."