Rom (epd)Der Vatikan hat die veränderte Haltung der katholischen Kirche beim Thema Verhütung bestätigt, die Papst Franziskus auf dem Rückflug von Mexiko nach Rom angedeutet hatte. "Verhütungsmittel oder Präservative können in Fällen besonderer Not einer ernsthaften Gewissensprüfung unterzogen werden", betonte Vatikansprecher Federico Lombardi am Freitag im Sender Radio Vatikan: "Das sagt der Papst." Entwicklungshilfe-Experten und die katholische Basisbewegung "Wir sind Kirche" begrüßten die neue Tonlage im Vatikan.
Kondome für Prostituierte
Angesichts der in Lateinamerika grassierenden Zika-Epidemie hatte Franziskus am Donnerstag nach Abschluss seiner Mexiko-Reise erklärt: "Eine Schwangerschaft zu verhindern, ist kein absolutes Übel." Das Zika-Virus wird für Schädel-Fehlbildungen bei Neugeborenen (Mikrozephalie) verantwortlich gemacht. Die Epidemie ist mittlerweile in 30 Staaten nachgewiesen worden, wobei Brasilien und Kolumbien am stärksten betroffen sind.
Lombardi verwies auf Papst Paul VI. (1897-1978). Dieser habe Ordensfrauen im Kongo, denen Vergewaltigungen durch Rebellen drohten, ausdrücklich erlaubt, zu verhüten. Der Vatikansprecher erinnerte zudem an Äußerungen von Papst Benedikt XVI., der im Interviewbuch "Licht der Welt" den Einsatz von Kondomen für Prostituierte nicht ausschloss. Als das Buch des Journalisten Peter Seewald 2010 erschien, bemühte der Vatikan sich noch, die darin angedeutete Lockerung des Kondom-Verbots abzuschwächen.
Der Paderborner Moraltheologe Peter Schallenberg sagte, möglicherweise zeichne sich nun eine Modifizierung der katholischen Lehre ab. Demnach wäre die Empfängnisverhütung im Sinne einer Güterabwägung das kleinere Übel als eine mögliche gesundheitliche Beeinträchtigung von Mutter oder Kind bei einer Schwangerschaft, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Franziskus sei allerdings "nicht systemisch progressiv oder reformistisch", erläuterte Schallenberg. "In anderen Punkten wie der Familienpolitik ist er ja auch eher konservativ." Der Papst wolle aber den Gläubigen helfen, die Anforderungen des Glaubens im Alltag zu leben.
Darf nicht nur um Zika gehen
"Wir sind Kirche" begrüßte die Äußerung des Papstes. In ethischen Fragen sei eine Weiterentwicklung der katholischen Lehre möglich und notwendig, erklärte der Sprecher der Basisbewegung, Christian Weisner. "Da ist es gut, wenn der Papst in diesem Fall künstliche Verhütungsmittel nicht ausschließt." Die letzte Verantwortung und Gewissensentscheidung für eine verantwortete Elternschaft liege nach katholischer Lehre bei den Eltern.
Die Stiftung Weltbevölkerung hofft nun auf eine breitere Akzeptanz der Familienplanung in Lateinamerika. Die Worte des Papstes "werden sicher dazu führen, dass mehr Frauen gewillt sind, zu verhüten", sagte die Sprecherin der Stiftung, Ute Stallmeister, dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Aber es darf nicht nur um Zika gehen", betonte Stallmeister. "Denn sollen die Frauen aufhören zu verhüten, wenn die Epidemie vorbei ist oder ein Impfstoff gefunden wurde?"
Die WHO hatte Anfang Februar aufgrund der schnellen Verbreitung des Zika-Virus in Lateinamerika den globalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Das Zika-Virus wird von der Ägyptischen Tigermücke übertragen, die auch Gelbfieber und das gefährliche Dengue-Fieber verbreitet. Eine Gefahr stellt der Erreger vor allem für Kinder im Mutterleib dar. Zumeist löst der Erreger eine harmlose Infektionskrankheit mit grippeähnlichen Symptomen aus.