Brüssel (epd)Begleitet von Kritik der EU-Kommission am Verhalten der Mitgliedsländer in der Flüchtlingskrise hat der zweitägige EU-Gipfel begonnen. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte am Donnerstag in Brüssel, die schon vergangenes Jahr beschlossene Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien auf andere EU-Länder werde mangelhaft umgesetzt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) drang erneut auf ein Einvernehmen aller europäischen Staats- und Regierungschefs. "Wir wollen eine Lösung der 28", sagte sie. Dabei wollte sich für einen europäisch-türkischen Ansatz einsetzen.
"Schreckliche Schicksale"
Angesichts der "schrecklichen Schicksale" von Flüchtlingen müssten sich Europa und die Türkei die Lasten teilen, sagte Merkel. Zugleich verlangte sie eine bessere Grenzkontrolle zwischen der EU und der Türkei: "Aber wir brauchen einen klareren Schutz der Außengrenzen."
Das bis Freitag angesetzte Treffen dreht sich neben den von Großbritannien geforderten Reformen um das Thema Migration. Im Zentrum stehen dürften die Kontrolle der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei und der Umgang mit Flüchtlingen, die es bis in die EU geschafft haben. Fraglich ist, ob es zu einer ausgewogeneren Verteilung der Flüchtlinge innerhalb Europas kommt. Bisher schultern Deutschland sowie Österreich und Schweden die Hauptlast. Zugleich sind Italien und vor allem Griechenland als Ankunftsländer stark beansprucht. Die stockende Umverteilung der 160.000 Flüchtlinge ist nach Ansicht von Beobachtern beispielhaft.
Ein vor dem Gipfel geplantes Treffen der sogenannten Koalition der Willigen wurde nach dem Terroranschlag in der Türkei abgesagt. Bei dem Bombenanschlag in der Hauptstadt Ankara waren am Mittwoch waren laut Medienberichten mindestens 28 Menschen getötet worden. Am Treffen in Brüssel hatte neben dem österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann als Gastgeber und dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmed Davutoglu auch Bundeskanzlerin Merkel teilnehmen wollen. Dem Vernehmen wäre dort die freiwillige Aufnahme von Flüchtlingskontingenten aus der Türkei ein Thema gewesen. Die Türkei will einerseits mit der EU zusammenarbeiten, andererseits erwartet sie von der Union Unterstützung, weil derzeit allein rund 2,5 Millionen syrische Flüchtlinge dort Zuflucht gefunden haben.
Mahnung zu mehr Solidarität
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sagte vor dem Gipfel, wenn erst die 160.000 Menschen aus Griechenland und Italien in ganz Europa untergekommen seien, komme Bewegung in die Bewältigung der Krise. "Wenn wir allerdings so weitermachen, dass eine große Anzahl von Staaten sagt, das geht uns nichts an, dann werden wir es nicht schaffen", mahnte Schulz.
Auch die Regierungschefs von Griechenland und Österreich, Alexis Tsipras und Werner Faymann, mahnten zu mehr Solidarität. Solidarität müsse es "nicht nur in der nordwestlichen Seite von Europa, sondern auch in der südöstlichen, auch im Mittelmeerraum geben", sagte Tsipras. Faymann stellte Österreich mit Deutschland und Schweden in eine Reihe: "Wenn die Europäische Union nicht dem österreichischen Vorbild folgt, auch dem schwedischen, dem deutschen, also uns dreien, und überall Flüchtlinge aufnimmt, dann kenne ich keine humanitäre Lösung." Mit Blick auf die relativ hohe Zahl an Flüchtlingen, die Österreich bereits aufgenommen hat, verteidigte Faymann zugleich eine österreichische Obergrenze.