Der Papst als unbequemer Mahner in Mexiko
Fünf Tage war der Papst in Mexiko unterwegs. Seine Reise war ein Hoffnungszeichen für die Mexikaner. Unbeirrt benannte Franziskus die Tragödie des Landes: Drogenkriminalität, Armut, Ausgrenzung der indianischen Bevölkerung und illegale Migration.
18.02.2016
epd
Susann Kreutzmann (epd)

São Paulo (epd)Die meterhohe mit Stacheldraht umspannte Betonmauer hatte Papst Franziskus fest im Blick. Nur wenige Meter trennten ihn von der Grenze nach Texas. Mit Sicht auf die streng gesicherten Grenzanlagen in Ciudad Juárez feierte der Pontifex die letzte Messe seiner fünftägigen Mexiko-Reise - wie auch zuvor mit politisch brisanten Botschaften. Mit emotionalen Worten prangerte Franziskus die "humanitäre Tragödie" an der US-mexikanischen Grenze an und forderte den Schutz der Migranten vor Menschenhandel. "Nie mehr Tod und Ausbeutung", rief der 79-Jährige leidenschaftlich unter dem Jubel der rund 200.000 Gläubigen aus.

"Gefängnisse wiederholen Weg der Gewalt"

Immer wieder wandte sich Franziskus auch an Gläubige auf der anderen Seite des Stacheldrahtzaunes. In einem Stadion in El Paso verfolgten Zehntausende zumeist mittelamerikanische Einwanderer die Papstpredigt. Viele von ihnen dürften illegal in die USA eingewandert sein, eine Überquerung der Grenze ist ihnen nicht mehr möglich. Nach wochenlangen Verhandlungen hatten die Behörden in Texas einer Übertragung der Messe zugestimmt. "Es sind Brüder und Schwestern, die durch Armut und Gewalt der Drogenkartelle und des organisierten Verbrechens vertrieben wurden", rief Franziskus.

Er beklagte die "schrecklichen Ungerechtigkeiten" an diesem Ort, der Mexiko von den USA trennt. Jedes Jahr sterben Hunderte Migranten bei dem Versuch, illegal in die USA einzureisen. Viele werden von Menschenschmugglern in der Wüste ausgesetzt und verdursten elendig. Franziskus' eindringliche Mahnung zur Solidarität mit den Migranten ist auch eine Botschaft an den US-Präsidentschaftswahlkampf, wo Kandidaten wie Donald Trump mit dem Thema auf populistischen Stimmenfang gehen.

Nicht weniger emotional war die Begegnung des Papstes mit rund 800 Gefangenen im Staatsgefängnis Cereso von Ciudad Juárez. Mit diplomatischem Druck hatten die Behörden versucht, den Vatikan von diesem Programmpunkt abzuhalten - doch vergebens. Cereso galt viele Jahre als "Drogenknast", eine Hölle auf Erden, wo das organisierte Verbrechen das Sagen hatte. Es sei ein sozialer Irrtum, dass sich Sicherheit mit Einsperren herstellen lasse, sagte der Papst. "Gefängnisse wiederholen den Weg der Gewalt." Tief bewegt nahm er Geschenke der Insassen an, hörte sich ihre Lebensgeschichte an und umarmte sie mehrfach.

Mit schusssicherer Weste auf die Kanzel

Ciudad Juárez ist in vielerlei Hinsicht ein unwirtlicher Ort. Hier verläuft nicht nur die Schneise zwischen Arm und Reich, sondern die Millionenmetropole galt auch jahrelang als gefährlichste Stadt weltweit. Nach wie vor werden die Bewohner von konkurrierenden Drogenkartelle tyrannisiert, Gewalt bestimmt den Alltag. Für die Mexikaner bedeutete der Besuch des Papstes deshalb vor allem Hoffnung, für die Eliten hingegen war er mit Unbehagen verbunden.

Mexikos Regierung war krampfhaft bemüht, für den Papst ein fröhliches Bild fernab der Realität zu zeichnen. Präsidentengattin Angélica Rivera nahm sogar eigens einen Schlager für das Kirchenoberhaupt auf. Doch die Rechnung ging nicht auf. Unbeirrt geißelte Franziskus die allgegenwärtige Korruption im Land, Drogenkriminalität, Armut und die soziale Ausgrenzung der indianischen Bevölkerung. Auch den Geistlichen des Landes las er die Leviten: "Das Land braucht keine Fürsten, sondern Diener des Herrn", ließ er die Bischöfe wissen.

Der Papst machte aber auch Mut, er ist sich der schwierigen Situation der Kirche in Mexiko bewusst. Immer wieder stellten sich Geistliche den Kartellen in den Weg und mussten dies mit ihrem Leben bezahlen. Täglich werden Priester von den Drogenbanden bedroht, manche wagen sich nur noch mit schusssicherer Weste auf die Kanzel. Allein in der Amtszeit von Präsident Enrique Peña Nieto wurden zwölf Geistliche ermordet, drei weitere gelten noch als vermisst. Dies ist eine weitere traurige Bilanz des mexikanischen Drogenkrieges, der seit 2006 schon 100.000 Menschen das Leben kostete.