Schöntal (epd)Zwar mehrten sich in der Bevölkerung die Anzeichen von Verunsicherung und auch Überforderung, räumte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz am Mittwoch im baden-württembergischen Kloster Schöntal ein: "Das ist ehrlich anzuerkennen." Engstirniges Gezänk helfe jetzt aber am wenigsten weiter. In die politische Debatte müsse Sachlichkeit eintreten, es müsse der Konsens gesucht werden, sagte er vor Journalisten auf der Frühjahrs-Vollversammlung der deutschen Bischöfe. Marx warb in diesem Zusammenhang für eine "Kultur des Miteinanders und des Gesprächs".
Die Flüchtlinge seien keine Bedrohung. Aber auch die Menschen, die zurückgeführt werden, seien nicht aus "unserem Verantwortungsbereich entlassen", sagte Marx. Gerade wer einen wachen Blick auf bestehende Schwierigkeiten und Probleme habe, brauche sich nicht von "diffusen Ängsten aus der Bahn werfen zu lassen". Marx: "Wir benötigen tatkräftiges Engagement statt Untergangsgeraune."
In diesem Zusammenhang äußerte sich Marx darüber besorgt, dass rechtspopulistische Bewegungen die Ängste und Verunsicherungen in der Bevölkerung gezielt für ihre "menschenfeindlichen" Ziele ausnutzten. Daher müssten im Kampf gegen Fremdenhass, Gewalt und Intoleranz alle Kräfte zusammenwirken. Die überwältigende Mehrheit der Deutschen stehe ein für Solidarität, Mitmenschlichkeit und den Rechtsstaat. "Wir würden die Axt an die Wurzeln unserer Gesellschaftsordnung legen, wenn wir davon abrückten", sagte Marx vor Journalisten.
Im Vergleich zu anderen europäischen Regierungen habe die deutsche Bundesregierung bislang viel dafür getan, dass Schutzsuchende eine menschenwürdige Aufnahme finden, so der Kardinal. Die Staaten in ganz Europa seien jetzt aufgefordert, ihren angemessenen Beitrag im Flüchtlingsschutz zu leisten.
Die Bischöfe seien sich darüber im Klaren, dass es angesichts der "Komplexität der gegenwärtigen Lage keine schnellen und einfachen Lösungen geben kann", fügte Marx hinzu, der auch Erzbischof von München ist. Nicht wenige sorgten sich um Fragen des sozialen Gleichgewichts, des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der inneren Sicherheit: "Menschen, die sich ohnehin an den Rand der Gesellschaft gedrängt fühlen, empfinden die aktuellen Entwicklungen als besonders beunruhigend. Die Angst vor einem staatlichen Kontrollverlust breitet sich quer durch alle gesellschaftlichen Gruppen und Schichten hindurch aus."