Freiburg, Berlin (epd)Ellen Asal stellt sich immer mit dem Handy vor. Sie geht damit im Internet auf eine Übersetzungsseite, tippt das Wort Hebamme ein und wartet darauf, dass arabische oder äthiopische Schriftzeichen erscheinen. Anschließend drückt sie das Handy einer schwangeren Frau in die Hand, die in solchen Momenten immer neben ihr steht - und die Situation ist klar. "Man kann in der Flüchtlingsunterkunft schon einen Dolmetscher organisieren, aber das ist immer mit Aufwand verbunden", sagt sie.
Rund einem Dutzend Frauen hat sich Asal schon auf diese Weise vorgestellt, seit sie im September in Freiburg die Leitung eines Projekts mit dem Namen "Eine Hebamme für alle" übernahm. Wobei das Wort "eine" derzeit noch ziemlich wörtlich zu nehmen ist: Eine weitere Stelle gibt es in dem Projekt von Stadt und Universitätsklinik zurzeit nicht. Asal ist zuständig für eine Unterkunft für 450 Menschen in der Freiburger Bissierstraße - womit diese schon viel besser ausgestattet ist als alle anderen Unterkünfte in der Stadt und die meisten im Bund.
Flüchtlinge auf eine Geburt vorbereiten - das beginnt bei all den Fragen, die auch werdende Mütter in Deutschland haben, geht aber weit darüber hinaus: Natürlich wollen die Frauen wissen, wie sie mit den Wehen umgehen können und wann sie ins Krankenhaus müssen. Aber Asal hat zum Beispiel auch schon erklären müssen, wie man Straßenbahn fährt und wo man ein Ticket löst - weil manche Frauen eben niemanden haben, der sie nach der Geburt abholt. Wann benötigt man einen Dolmetscher und wann reicht mein Handy? Woher bekommt man einen Kinderwagen? Woher Babykleidung? Was ist eine Vorsorgeuntersuchung? All das erklärt und koordiniert Ellen Asal - eben, weil es sonst niemand macht.
Auch der Umgang mit Behörden ist kompliziert
Es sind nicht nur die Sprachbarriere und die fremde Kultur. Auch der Umgang mit den Behörden ist kompliziert: Weil jedem Flüchtling in der Unterkunft nur eine bestimmte Zahl von Quadratmetern zusteht, schläft eine Schwangere in einem Gemeinschaftszimmer, wogegen einer Mutter mit Kind ein eigener Raum zusteht. Ellen Asal muss den Übergang organisieren, ehe es vergessen wird - sofern überhaupt ein Zimmer frei ist. "Nach einer Weile habe ich gemerkt, dass häufig dieselben Fragen auftauchen. Ich bin mir sicher, dass das nicht nur hier so ist."
Deswegen entwirft Asal derzeit ein Formblatt: Eingetragen werden kann dort etwa, welchen Kinderarzt die Frau hat oder welche finanziellen Hilfen beantragt sind - damit jeder, der hilft, orientiert ist und nichts untergeht oder doppelt organisiert wird. "Wichtig ist zum Beispiel, dass eine Frau vor der Geburt eine Schweigepflichtentbindung unterschreibt. Sonst fährt sie ins Krankenhaus - und wir wissen nicht, wie es Mutter und Kind geht."
Viele Projekte müssen improvisieren
So chaotisch wie die Situation in Freiburg ist, so ist es auch im Bund: Es gibt immer mal wieder einzelne Projekte wie das von Ellen Asal, aber im Wesentlichen wird einfach improvisiert. Das macht die Arbeit mit Flüchtlingen schwer, findet man beim Deutschen Hebammen Verband in Berlin. "Es gibt derzeit keine einheitliche Vergütungsregelung und in einigen Bundesländern große Probleme", sagt Präsidiumsmitglied Katharina Jeschke. Unter Umständen könne die Bezahlung bis zu einem Jahr auf sich warten lassen. Auch sei der Zugang zu den Menschen kompliziert. "Hebammenhilfe für Geflüchtete ist insbesondere traumasensible Arbeit. Es gibt große Schwierigkeiten bei der Kommunikation - besonders im Bereich der Anamnese."
Bei aller Improvisation - auf die Welt gekommen sind die Kinder bislang doch. Sechsmal war das im Heim von Ellen Asal bislang der Fall, die eritreischen Babys Tesfaldet und Amanuel kamen gar im Doppelpack, sie sind Zwillinge. Und weitere Geburten stehen bevor. Alles andere wird sich einspielen, hofft die Hebamme.