Eine Wunde, die nie heilt - Welttag gegen Genitalverstümmelung

In Eritrea ist die Beschneidung weiblicher Genitalien seit 2007 verboten. Die grausame Tradition aber hält sich noch immer. Sie sorgt für Verstümmelungen und unfassbare Schmerzen.

Asmara (epd)Neema hat gerade eine große Herzoperation hinter sich. Noch ist die zwölfjährige Eritreerin benommen, neben ihr wacht die Mutter am Krankenbett. Der Eingriff verlief gut, doch Neemas Anblick jagte den Ärzten einen Schrecken ein: Als sie dem Mädchen den Blasenkatheter legen wollten, stießen sie auf völlig verstümmelte Genitalien.

"Neema war so weit zugenäht, dass wir den hauchdünnen Schlauch kaum einführen konnten", berichtet eine Krankenschwester aus dem Medizinerteam der deutschen Hilfsorganisation Archemed, das die Herzchirurgie in der eritreischen Hauptstadt betreibt. Bei der Infibulation oder pharaonischen Beschneidung wie bei Neema werden außer der Klitoris auch die inneren und äußeren Schamlippen entfernt und die Genitalien bis auf eine streichholzkopfgroße Öffnung zugenäht. Die Ärzte vermuten, dass das Mädchen etwa vier war, als es den brutalen Eingriff erleiden musste.

Einspruch zwecklos

Worku Zerai, Koordinatorin eines Projekts gegen weibliche Genitalverstümmelung ist sich sicher, dass Neema nicht aus Asmara stammen kann. "In der Stadt werden wir hier kaum noch Mädchen finden, die beschnitten sind", erklärt die 65-Jährige. Im kurzen Gespräch mit Neemas Mutter kann sie klären, dass die Familie in Teseney lebt, weit im Westen des Landes. Die Oma und eine Tante hätten die Beschneidung initiiert - Einspruch zwecklos.

"Genauso läuft das", bestätigt Zerai. "Nur eine beschnittene Frau ist gesellschaftlich akzeptiert und hat Aussicht darauf, geheiratet zu werden." Nach Angaben von Unicef sind in Eritrea fast 90 Prozent aller Frauen beschnitten. In Städten ist die Zahl der Beschneidungen bei jungen Mädchen inzwischen stark rückläufig. Das Verbot der Genitalverstümmelung - seit 2007 drohen Geldbußen oder Gefängnisstrafe - und Aufklärungsarbeit zeigen aber allmählich auch auf dem Land Erfolg.

Auch Zerai kämpft unablässig für die Mädchen und ihre Unversehrtheit. In sechs Dörfern fördert die Europäische Union zwei Jahre lang ein Programm gegen Genitalverstümmelung. Zerai, die in Den Haag studiert hat, betreut das Projekt auf eritreischer Seite.

Heute geht es zu einem Treffen in Tecombia etwa zwei Stunden Autofahrt von Asmara entfernt. Dutzende Frauen in ihren schönsten Gewändern haben sich versammelt. Der Schulleiter ist ebenso anwesend wie muslimische und christlich-orthodoxe Vertreter. Auch eine männliche Hebamme will sich engagieren gegen Beschneidung. "Alle sind sehr bemüht, aber das Vordringen bis in die letzte Hütte bleibt schwierig", sagt Zerai.

Viele überleben nicht

Auch eine ehemalige Beschneiderin, die bis vor vier Jahren noch praktizierte, ist gekommen. Sie werde niemals wieder eine Beschneidung vornehmen, versichert Tsega Michael. Mindestens 2.000 Mädchen und etwa 3.000 Jungen hat sie im Laufe der Jahre unter einfachsten hygienischen Bedingungen beschnitten. Mit Hilfe eines Kleinkredits der Regierung schaffte die 48-Jährige den Ausstieg und betreibt jetzt ein kleines Frühstückscafé.

Die verheerenden Auswirkungen der unterschiedlichen Beschneidungspraktiken bekommen vor allem die Geburtshelfer zu sehen. Die Gynäkologin Leilti Ghebreselassie im Krankenhaus von Keren, einem Hospital für alle nördlichen Provinzen des Landes, kennt die Torturen der Frauen nur zu gut: Etwa wenn nach einer Infibulation kaum die Blase entleert werden kann. Wenn die Menstruationsblutung wochenlang dauert, weil nichts richtig abfließen kann. Die unangenehme Fistelbildung, die häufig zu Inkontinenz führt.

Die Ärztin weiß auch von den Schmerzen, die eine Frau erleidet, wenn sie in der Hochzeitsnacht vom eigenen Ehemann "geöffnet" wird. Und nicht zuletzt von den Schwierigkeiten bei der Geburt. Viele junge Mütter überleben nicht, weil sie beschnitten sind.

Um ungeschönt vor Augen zu führen, welche verheerenden Folgen die Beschneidung hat, darf Worku Zerai demnächst einen Film vorführen. Diesen sollen junge Männer ebenso zu sehen bekommen wie alle Frauen im Dorf. "Ein wichtiger Schritt", freut sich Zerai. "Mit Bildern erreichen wir mit Sicherheit mehr als mit klugen Worten."