Ethische Debatte über britische Gentechnik-Experimente
Dürfen menschliche Embryonen gentechnisch manipuliert werden? Großbritannien hat dies nun erlaubt und eine neue ethische Debatte ausgelöst.

Frankfurt a.M. (epd)Das britische Ja zu Genmanipulationen an Embryonen stößt in Deutschland überwiegend auf Skepsis. Die beiden großen Kirchen reagierten am Dienstag mit Kritik. Der Bioethik-Experte der Union, Hubert Hüppe (CDU), sprach von einem Tabubruch. Wissenschaftler in Großbritannien können künftig an gesunden menschlichen Embryonen über die Behandlung von Unfruchtbarkeit und die Ursachen von Fehlgeburten forschen.

CDU-Politiker Hüppe: Letztes Tabu gebrochen

Die britische Behörde für menschliche Befruchtung und Embryologie (HFEA) hatte am Montag einen entsprechenden Antrag des Londoner Francis-Crick-Instituts genehmigt. Die Embryonen stammen nach Angaben des Instituts von Paaren, die sich einer künstlichen Befruchtung unterzogen haben. Dabei reifen oft mehrere Embryos heran, die nicht alle in die Gebärmutter eingesetzt werden. Die Experimente am Erbgut sollen in den ersten sieben Tagen nach der Befruchtung erfolgen. Bevor die Forschung starten kann, muss noch eine Ethikkommission grünes Licht geben.

Der CDU-Politiker Hüppe erklärte am Dienstag in Berlin, "die Genehmigung der britischen Aufsichtsbehörde HFEA für Experimente, bei denen menschliche Embryonen gentechnisch verändert werden sollen, bricht das letzte Tabu, bei dem weltweite Einigkeit herrschte, dass es nämlich nie zu Keimbahneingriffen kommen dürfe." Menschliche Embryonen seien Menschen, "kein Experimentiermaterial. Es ist gut, dass die deutsche Rechtslage hier ein eindeutiges Verbot enthält", erklärte der Bundestagsabgeordnete.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) bezeichnete die in Großbritannien zugelassenen gentechnischen Experimente als unvereinbar mit dem Grundsatz der Menschenwürde. Dies sei eine neue Dimension im Zugriff auf das menschliche Leben, teilte die EKD in Hannover auf Anfrage dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit. Menschliches Leben sei in seiner Würde nur dann geschützt und gesichert, wenn grundsätzlich jede Möglichkeit verfügender Manipulation ausgeschlossen sei.

Kritik von den Kirchen

Die EKD trete dafür ein, in Deutschland an den bislang geltenden rechtlichen Regelungen festzuhalten und statt der Forschung an Embryonen oder embryonalen Stammzellen die Forschung an adulten Stammzellen zu vertiefen und auszubauen, hieß es weiter. Im Hinblick auf die medizinische Forschung werde die Kluft zwischen dem technisch Möglichen und dem moralisch Verantwortbaren weiter wachsen.

Kritik an der Genehmigung zur Embryonenforschung in Großbritannien kam auch von der katholischen Kirche. "Wir müssen uns über den Status des menschlichen Embryos neu gewiss werden", sagte der Bioethik-Experte und Augsburger Weihbischof Anton Losinger, "domradio.de": "Wir müssen über Würde und Lebensrecht nachdenken, die einem solchen Menschen im Anfangsstadium zukommen. Ein menschlicher Embryo ist keine Sache." Zudem müsse man über ein Ende embryonenzerstörender Forschung nachdenken.

"Und wir müssen uns Gedanken darüber machen, ob wir in Deutschland eine Reproduktionsmedizin wollen, bei der stetig eingefrorene Embryonen entstehen - und das in einer Zahl, die fünfstellig ist. Kein Mensch weiß, was man damit tun soll", sagte Losinger, der Mitglied des Deutschen Ethikrates ist.

Sozialethiker Dabrock: Kein weiterer Tabubruch

Der evangelische Sozialethiker Peter Dabrock warnte vor übertriebenen Befürchtungen. "Es ist kein weiterer Tabubruch", sagte der Erlanger Theologieprofessor dem epd. Das Forschungsvorhaben stehe im Einklang mit der britischen Gesetzgebung. In Deutschland sei durch das Embryonenschutzgesetz die Herstellung von Embryonen für solche Zwecke untersagt.

Grundsätzlich rechne er damit, dass aus therapeutischen Gründen genetisch manipulierte Embryonen "in nicht allzu ferner Zukunft" implantiert werden, sagte der Sozialethiker. Dabrock ist stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrates.