30.1., ARD, 20.15 Uhr: "Im Zweifel"
Autorin Dorothee Schön und Regisseurin Aelrun Goette, beide jeweils zweifache Grimme-Preisträgerin, erzählen in ihrem berührend gespielten Drama die Geschichte einer von Claudia Michelsen mit einer reizvollen Mischung aus flüsternder Fragilität und großer innerer Stärke verkörperten Pastorin, die in einen Abgrund des Zweifels stürzt: Judith wird als Notfallseelsorgerin zu einem Verkehrsunfall gerufen und erfährt, dass ein zweites Fahrzeug verwickelt war, dessen Fahrer das Weite gesucht hat. Die Beschreibung des Wagens passt auf den Kombi ihres Mannes, der sein Auto tatsächlich wegen eines Schadens am Kotflügel in die Werkstatt bringen muss. Die Information und das merkwürdige Verhalten des Gatten lösen eine regelrechte Kettenreaktion aus: Zunächst geht es nur um ihren Mann, dann um ihre Beziehung, schließlich um ihr Selbstverständnis als Ehefrau und Mutter; und am Ende auch um den Glauben. Natürlich ist das ein Dramenstoff, aber Schön gelingt das Kunststück, die Sinnsuche gewissermaßen hinter den Bildern ablaufen zu lassen. Vordergründig erzählt der mit großer Intensität inszenierte Film scheinbar ganz andere Geschichten, weil er die Pastorin in ihrem Alltag zeigt. Daher ist der Film auch eine Hommage an eine Frau, die für eine offene Kirche streitet und sich dazu berufen fühlt, den Menschen zu helfen. Die Szenen mit Judith als Notfallseelsorgerin haben fast dokumentarischen Charakter und wirken wie eine Reminiszenz an Menschen, die sich ehrenamtlich für solche Aufgaben engagieren.
31.1., ARD, 17.30 Uhr: "Gott und die Welt: Nimm Dein Leben in die Hand"
Der Film begleitet drei junge Südafrikaner in den Wochen ihrer Ausbildung bis zum Abschluss. Kcareesh, Thobela und Sinethemba haben mit viel Glück einen der fünfzig Plätze in einem zweimonatigen Berufstrainingskurs bei Don Bosco, dem Institut der Salesianer in Kapstadt, ergattert. Es ist ihre Chance, ein paar Schritte weiterzukommen auf dem Weg in eine Berufstätigkeit. Wie viele junge schwarze Südafrikaner haben sie kein Geld, keinen Schulabschluss, viele haben keine Eltern mehr, wohnen in Hütten der Townships am Rand von Kapstadt. Fast alle haben Erfahrungen mit Gewalt, viele mit Drogen. Kcareesh wird den PC-Kurs als Grundlage für einen späteren Büro-Job machen; Thobela und Sinethemba lernen das Maurerhandwerk. Sechs Wochen später sollen sie Bögen und Mauern bauen können, die halten. Acht Monate später kehrt das Filmteam zurück und zeigt, was aus den dreien geworden ist. Der Film zeigt das Leben und die großen Mühen der jungen Leute und ihren Kampf, im Alltag zu bestehen und ihr Leben zu ändern. Er ist auch eine kritische Bestandsaufnahme des Don-Bosco-Projekts in Kapstadt: Wie nachhaltig kann die Hilfe für die jungen Leute sein?
2.2., ZDF, 22.15 Uhr: "37 Grad: Wirklich beste Freunde"
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die Titelanspielung deutet es an: Die "37 Grad"-Reportage porträtiert einen jungen Mann, Nico (27), der durch eine Muskelkrankheit nahezu bewegungslos geworden ist. Betreut wird er von seinen Freunden. Der Film zeigt, wie sich die Freundschaft seit der Schulzeit entwickelt. Schon damals haben die Freunde pflegerische Aufgaben übernommen. Seit Nico ins Studentenwohnheim gezogen ist, arbeiten sie über einen Pflegedienst für ihn. Nico ist der Kopf der Clique. Er managt seinen Betreuer-Stab, organisiert gemeinsame Partynächte und sogar Reisen; und das, obwohl er im Rollstuhl sitzt; er kann weder Arme, Beine noch Kopf bewegen. Trotzdem lebt er ein fast normales Studentenleben: Er wohnt in einer WG, schließt demnächst sein zweites Studium ab, zieht am Wochenende durch die Clubs. Es sind größtenteils Freunde, die ihn rund um die Uhr betreuen: ihn duschen, anziehen, mit ihm Vorlesungen besuchen, abends beim Ausgehen den Rolli die Treppen der Clubs hochtragen und die Drinks reichen. Die Freundschaft ist ein Geben und Nehmen: Früher hat Nico bei den Schulaufgaben geholfen, später, wenn einer der Jungs Liebeskummer hatte. Außerdem ist er ein Vorbild, wie einer der Freunde sagt: "weil er immer wieder zeigt, dass man sich nicht hängen lassen darf, wenn man selbstbestimmt durchs Leben gehen will." Obwohl er sich kaum mehr rühren kann und häufig krank ist, plant Nico eine gemeinsame Reise nach Portugal mit seinen zehn besten Freunden; es ist womöglich der letzte gemeinsame Trip mit all den Freunden. Ein Film, der deutlich macht, wie Freundschaften entstehen, wenn Menschen mit und ohne Behinderung zusammen aufwachsen.
2.2., 3sat, 20.15 Uhr: "Pass gut auf ihn auf!"
Mit dem Drama "Der letzte schöne Tag" hat Grimme-Preisträger Johannes Fabrick den wohl berührendsten Film der letzten Fernsehjahre gedreht; es ging darin um die Leere, die der Freitod eines geliebten Menschen hinterlässt. In diesem Drama setzt sich Fabrick, dessen Werke stets von einer ganz besonderen emotionalen Tiefe sind, mit einem ähnlichen Thema auseinander: Die junge Miriam (Julia Koschitz) hat Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bevor sie stirbt, will sie dafür sorgen, dass ihr Mann Ingmar (Filip Peeters) nach ihrem Tod nicht allein mit den beiden kleinen Zwillingen bleibt. Nachfolgerin soll ausgerechnet die Vorgängerin werden: Miriam spürt, dass Ingmar und seine Ex-Frau Lene (Barbara Auer), eine protestantische Pastorin, immer noch viel füreinander empfinden; ihre Liebe ist im Lauf der Ehejahre nicht verschwunden, sondern bloß verschüttet worden. Aber Miriam bleibt nicht mehr viel Zeit, zumal Lene alle Annäherungsversuche brüsk ablehnt. Der Titel "Pass gut auf ihn auf!" nimmt bereits vorweg, dass Miriam ihr Ziel am Ende erreicht. Trotzdem ist Fabricks Inszenierung weit davon entfernt, sentimental zu sein, zumal es immer wieder auch unbeschwerte Szenen gibt. Aber natürlich betrachtet man diese Momente buchstäblich mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Da Miriam abgesehen von einer Zufallsbekanntschaft (Felix Klare) niemanden in ihr Schicksal einweiht, bekommen viele Dialoge einen Subtext, der sich nur ihr erschließt; und dem Zuschauer. Die Dialoge deuten ohnehin oft über sich hinaus, was naturgemäß gerade für Lenes Predigten gilt. Geschickt eingefädelt ist auch die Annäherung zwischen Miriam und Lene: Die eine nutzt die Gelegenheit, sich zu offenbaren, als die andere im Krankenhaus einen Gesprächskreis zum Thema "Einer trage des anderen Last" anbietet.
2.2., 3sat, 22.25 Uhr: "Altern ohne Last"
Heute ist es normal, rüstig achtzig Jahre alt zu werden. Die erste "Babyboom"-Generation ist mittlerweile über 65 Jahre alt. Doch dieser demografische Wandel gilt als Problem.
Prognosen sagen, dass sich die Anzahl der alternden, pflegebedürftigen Bevölkerung in Europa in den nächsten fünfzig Jahren verdoppeln wird. Kommt es zum Kollaps der Rentensysteme, zum Pflegenotstand? Vielleicht geht es auch anders: Nicht das Altern ist das Problem, sondern der Lebensstil und unser Umgang mit dem Altern. Diese Faktoren sind es, die zu einem großen Teil Krankheit und Pflegebedürftigkeit verursacht. Kurt Langbein und Judith E. Innerhofer zeigen in ihrem Film, welche Lösungen andere Länder gefunden haben: Wo Arbeitswelt und Lebensumgebung, aber auch Pflegekonzepte anders funktionieren, dort wird Altern nicht automatisch zur Last.
2.2., Arte, ab 20.15 Uhr: Themenabend "Europa und die Flüchtlingskrise"
Fast fünf Stunden lang befasst sich Arte mit den Ursachen und Auswirkungen der Flüchtlingsströme. Der Auftaktfilm "Flucht nach Europa" (20.15 Uhr) zeigt, vor welche Herausforderungen der Kontinent gerade in den Wintermonaten steht. Die Filmemacher begleiten Krisenmanager in Deutschland und Frankreich. Sie beschreiben die Schwierigkeiten und Engpässe, aber auch erste Erfolge, durchleuchten die Rolle der Türkei sowie Tendenzen zu einer künftigen Abschottung. Die Dokumentation "Die Flüchtlingsindustrie" (21.45 Uhr) zeigt, wie viele Unternehmen von der Flüchtlingskrise profitieren: Eine regelrechte Flüchtlingsindustrie ist entstanden. Wer schlägt aus der Not womit Profit? Was haben die Helfer von ihrer Hilfe? Und noch entscheidender: Was haben am Ende die Flüchtlinge wirklich davon? Wie kann es gelingen, dauerhaft wirtschaftliche Verwerfungen zu verhindern? Der Film durchleuchtet investigativ das Geschäft mit den Flüchtlingen, thematisiert mit Experten die beginnenden Fehlentwicklungen und versucht, alternative Lösungswege aufzeigen. "Balkan-Taxi" (22.10 Uhr) ist ein Film über die sogenannte Balkanroute; sie ist die Hauptroute, seit Ungarn seine Grenzen geschlossen hat. Inzwischen hat vor allem Mazedonien mit Rückstaus zu kämpfen, an den Grenzen spielen sich erschütternde Szenen ab. Die Dokumentation macht sich auf die Suche nach Helfern und Gestrandeten, nach den Profiteuren und jenen, für die die Flucht die Hoffnung auf ein neues Leben ist und die nun um ihren Platz in Europa kämpfen. Die Winterreise beginnt in Mazedonien und endet an der kroatisch-slowenischen Grenze. Für "Flucht aus Afghanistan" (22.40 Uhr) haben Claire Billet und Olivier Jobard, die sich schon lange mit den afghanischen Exilbewegungen auseinandersetzten, fünf Afghanen auf ihrer Odyssee nach Europa begleitet. Gemeinsam überwinden sie 12.000 Kilometer und sechs Grenzen, die immer auch kulturelle Barrieren sind, denn sie bedeuten neue Sprachen und andere, den afghanischen Gepflogenheiten radikal entgegen gesetzte Lebensweisen. Zum ersten Mal erblicken die jungen Afghanen das Meer, sie sehen Mädchen in Miniröcken, Cafés und Wolkenkratzer. Ein rauschhaftes Erlebnis, bei dem die Fernsehbilder plötzlich Wirklichkeit werden. Den Abschluss des Themenabends bildet um 23.40 Uhr die Dokumentation "Der steinige Weg nach Europa". Protagonisten sind zwei kurdische Jugendliche, die in Griechenland beschuldigt werden, Flüchtlinge ins Land geschmuggelt zu haben, während ihre Familien im Kriegsgebiet zurückgeblieben sind und auf ihre Unterstützung hoffen. Der Film rekonstruiert ihre Geschichte und zeigt ein Phänomen auf, das in letzter Zeit alarmierend zugenommen hat: Professionelle Schlepper zwingen minderjährige Flüchtlinge dazu, Mitflüchtlinge über die türkisch-griechische Grenze zu bringen.
3.2., WDR, 22.55 Uhr: "Nie mehr schweigen - Afghanistans mutige Frauen"
Eine junge Afghanin zettelt eine Revolution an: indem sie Fahrrad fährt. Sie will sich nicht länger vorschreiben lassen, als Frau zu Hause sitzen zu müssen, will nicht hinnehmen, dass Männer sie anmachen und als Prostituierte behandeln. Wenn ein Mann sie belästigt, schlägt Sahar schon mal zu. Die 19-Jährige gehört zu einer neuen Generation, die an ein anderes Afghanistan glaubt. Sie studiert und arbeitet als Journalistin. Mit ihren Filmen zeigt sie, was afghanische Frauen täglich erleben, sobald sie das Haus verlassen, und gibt denen eine Stimme, die sonst schweigen.
Auch die beiden anderen Frauen, die ARD-Korrespondent Gábor Halász mit seinem Film porträtiert, proben den zivilen Ungehorsam: Marya hat sich jahrelang als Junge verkleidet. Nur so konnte sie ihren Traum verwirklichen und Sportlerin werden. Heute arbeitet sie als Sportlehrerin. Sara aus Mazar e Sharif ist die erste Taxifahrerin Afghanistans; sagt sie jedenfalls. Mit 80 Stundenkilometer braust sie durch die Stadt und weckt damit die Hoffnung vieler Frauen.
5.2., Arte, 23.30 Uhr: "Der jüdische Kardinal"
Aaron Jean-Marie Lustiger war eine wandelnde Provokation. 1940, mit 14 Jahren, beschloss er, sich katholisch taufen zu lassen; später wurde er Priester. Lustiger war allerdings kein konventioneller Geistlicher. Seine Predigten waren energisch und modern. Als eine katholische Zeitung seine jüdische Herkunft betonte, provozierte er einen Skandal, als er behauptete, er habe mit der Konvertierung zum Katholizismus dem Judentum keinesfalls abgeschworen. Sein Vater Charles, der von Polen nach Frankreich geflohen war und dessen Frau im Jahr 1943 in Auschwitz ermordet wurde, akzeptierte die Entscheidung seines Sohnes nicht, Bischof von Orléans zu werden, da das Angebot ausgerechnet von einem Papst kam, der Pole war. Als Lustiger den Papst traf, war er beeindruckt von dessen Persönlichkeit. Die beiden Gottesmänner begegneten sich mit einer ähnlichen Weltsicht und einem ähnlichen Verständnis von Kirche. Bereits nach einem Jahr als Bischof von Orléans wurde Lustiger zum Erzbischof von Paris und später auch zum Kardinal und Berater des Papstes ernannt. Aufgrund seiner jüdischen Wurzeln setzte sich Lustiger als Erzbischof besonders mit der Beziehung von katholischer Kirche und Judentum auseinander.