WDR: Weiterer Missbrauchsfall im Bistum Hildesheim
Das Bistum Hildesheim kommt nicht zur Ruhe. Nachdem Bischof Norbert Trelle erst vor wenigen Wochen Fehler bei der Aufarbeitung eines mutmaßlichen Missbrauchsfalles einräumte, taucht nun ein neuer Fall auf.

Hildesheim, Köln (epd)Im katholischen Bistum Hildesheim soll es nach Recherchen des WDR einen weiteren mutmaßlichen Missbrauchsfall gegeben haben. Eine 39-jährige Frau habe sich gemeldet und von sexuellen Übergriffen durch den inzwischen suspendierten Priester Peter R. in ihrer Jugend berichtet, teilte der Sender am Mittwoch in Köln mit. Es handele sich um die Mutter einer heute 20-jährigen jungen Frau, die im vergangenen Jahr selbst sexuelle Übergriffe durch den pensionierten Pfarrer öffentlich gemacht hatte, die sie als Elfjährige erlebt habe. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, sagte dem epd, das Bistum müsse in dem Fall einen erfahrenen unabhängigen Ermittler einsetzen.

Bistum in Kenntnis gesetzt

In der WDR-Dokumentation "Richter Gottes", die am Mittwochabend gesendet werden sollte, schildert die 39-jährige Mutter nach Angaben des Senders, dass auch sie ab 1993 als Jugendliche von dem Geistlichen sexuell belästigt worden sei. Das Bistum Hildesheim sei seit September 2015 auch über ihren Fall informiert, dort habe aber bislang niemand Kontakt zu ihr aufgenommen.

Das Bistum bestätigte, es bestehe bislang kein Kontakt zur Mutter des Mädchens. Die näheren Umstände des Falles und die erhobenen Vorwürfe, "waren dem Bistum bisher nicht bekannt", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.

Die Großeltern des Mädchens, das im vergangen Jahr die Übergriffe öffentlich machte, hätten am 18. September 2015 ein Gespräch mit Weihbischof Heinz-Günter Bongartz und Schwester Ancilla Schulz, der Ansprechpartnerin für Verdachtsfälle sexuellen Missbrauchs, gehabt. Sie hätten dabei auch mitgeteilt, dass die Mutter des Mädchens ebenfalls Opfer sexueller Übergriffe durch Peter R. geworden sei. Daraufhin habe das Bistum im Januar 2016 die Staatsanwaltschaft Berlin eingeschaltet.

Im Jahr 2010 sei von dritter Seite gegenüber dem damaligen Personalchef lediglich "der allgemeine Verdacht kommuniziert worden, dass wahrscheinlich auch die Mutter des Mädchens von Peter R. sexuell belästigt worden sei". Die Mutter sei aufgefordert worden, sich beim Bistum zu melden, sei dem aber nicht nachgekommen.

Vertuschungsvorwürfe abgewiesen

Missbrauchsbeauftragter Rörig äußerte sich besorgt, dass es im Bistum Hildesheim möglicherweise noch weitere unaufgeklärte Missbrauchsfälle geben könnte. Deshalb sei es notwendig, dass die Verantwortlichen eine "angesehene unabhängige Persönlichkeit mit der Aufarbeitung beauftragen, die in diesem Bereich schon Erfahrung gesammelt und kompetent ist". Nur zu einer solchen Person könnten Betroffene Vertrauen schöpfen und über das erfahrene Leid sprechen. Als Vorbild nannte Rörig das Bistum Regensburg, das zur Aufklärung der Fälle rund um den Knabenchor der "Domspatzen" einen Rechtsanwalt eingeschaltet habe.

Der Bundesbeauftragte betonte zudem: "Ich hoffe, dass die Spitzen von Bistümern oder anderen Organisationen nicht wieder in Verhaltensmuster von vor 2010 zurückfallen." Damals sei es in erster Linie darum gegangen, die Institution zu schützen. "Es geht nicht, dass die Verantwortlichen immer erst mal abwarten, was auf anderem Weg nach außen dringt und dann nur stückchenweise Teilinformationen präsentieren."

Peter R. gilt als einer der Haupttäter im Missbrauchsskandal am Berliner Gymnasium Canisius-Kolleg, der im Januar 2010 bekanntwurde. Seine dortigen Taten aus den 1970er und 80er Jahren sind aber inzwischen verjährt. Später arbeitete er rund 20 Jahre lang im Bistum Hildesheim.

Der Fall der heute 20-Jährigen hatte Ende 2015 für Schlagzeilen gesorgt, da das Bistum zuerst keinen Hinweis auf einen Missbrauch gesehen hatte. Das Mädchen hatte sich im März 2010 als 14-Jährige den Verantwortlichen des Bistums anvertraut. Diese schalteten erst mehrere Monate später die Staatsanwaltschaft ein. Nach Kritik und Rücktrittsforderungen räumte der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle im vergangenen Dezember Fehler bei der Aufarbeitung ein. Vertuschungsvorwürfe wies er aber zurück.