Internationales Schleusernetzwerk zerschlagen
Die Schleuser sollen Flüchtlinge mit schrottreifen Frachtschiffen transportiert haben: Die deutsche und die türkische Polizei haben ein Schleusernetzwerk zerschlagen. Die Polizeikooperation führte zu 35 Festnahmen.

Potsdam (epd)Der deutschen und der türkischen Polizei ist ein Schlag gegen ein internationales Schleusernetzwerk gelungen, das Flüchtlinge auf sogenannten Geisterschiffen nach Europa geschickt hat. Mit zeitgleichen Durchsuchungen in sechs Bundesländern und der Türkei am frühen Mittwochmorgen sei es gelungen, die Organisation bis hin zur obersten Ebene zu zerschlagen, sagte Bundespolizeipräsident Dieter Romann in Potsdam. In Deutschland seien fünf Tatverdächtige, in der Türkei 30 Personen festgenommen worden, hieß es.

Der Einsatz zeige beispielhaft, dass eine enge grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden wesentlich für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität sei, erklärte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Nur so könne dem "menschenverachtenden Treiben der Schlepperbanden" ein Ende gesetzt werden.

"Hier geht es nur ums Kassemachen"

Der Hauptbeschuldigte sei im türkischen Mersin festgenommen worden, sagte Romann. Die Tatverdächtigen seien überwiegend syrische Staatsangehörige, hieß es. In der Bundesrepublik seien Haftbefehle in Berlin, Lübeck, Köln, Hannover und in der Nähe von Regensburg vollstreckt worden. Bei den Durchsuchungen von 16 Wohnungen und einem Geschäftsraum in Deutschland waren den Angaben zufolge knapp 500 Beamte der Bundespolizei im Einsatz, darunter auch Spezialeinheiten der GSG 9 und der neuen "BFE+".

Beim Transport der Flüchtlinge über das Mittelmeer mit ausgemusterten schrottreifen Frachtschiffen hätten die Schleuser den Tod der Menschen im Fall einer Havarie billigend in Kauf genommen, sagte Roman. Mit altruistischer Fluchthilfe habe dies nichts zu tun, betonte der Präsident der Bundespolizei: "Hier geht es nur ums Kassemachen."

Durch die Kooperation der deutschen und der türkischen Behörden hätten die Ermittlungen erfolgreich abgeschlossen werden können, sagte der Leiter der türkischen Generalsicherheitsdirektion, Mehmet Cemalettin Lekesiz, in Potsdam. So hätten auch mehrere hundert Menschen gerettet werden können, die vor den Bürgerkriegen in Syrien und im Irak geflohen seien. Von den türkischen Behörden seien in den vergangenen Jahren bereits 17 Geisterschiffe aufgebracht und rund 1.150 Schleuser festgenommen worden.

Rund 9,5 Millionen US-Dollar Bruttoerlös

Ausgangspunkt der rund einjährigen Ermittlungen unter Leitung der Generalstaatsanwaltschaft Dresden sei die illegale Einreise mehrerer Flüchtlinge über die deutsch-tschechische Grenze nach Sachsen am 24. Dezember 2014 gewesen, sagte Romann. Die Flüchtlinge seien wenige Tage zuvor von der italienischen Küstenwache von dem in Seenot geratenen Geisterschiff "Merkur 1" gerettet worden. Daraus habe sich eines der größten Ermittlungsverfahren wegen gewerbsmäßiger Schleusung von Menschen entwickelt.

Ende 2014 seien insgesamt 1.766 Menschen mit drei zur Verschrottung vorgesehenen und zur Schleusung zweckentfremdeten Frachtschiffen des Netzwerks auf See geschickt worden, hieß es. Die Flüchtlinge mussten Romann zufolge pro Person zwischen 4.500 und 6.000 US-Dollar an die Schleuser zahlen. Die Organisation habe so einen Bruttoerlös von rund 9,5 Millionen US-Dollar erzielt.

Die Schiffe seien zum Teil von der Besatzung im Stich gelassen und per Autopilot Richtung Italien geschickt worden und hätten von der italienischen Küstenwache durch lebensgefährliche Rettungsmanöver unter Kontrolle gebracht werden müssen, hieß es. Zwei Tatverdächtige seien bereits im August 2015 in Deutschland festgenommen und an die italienischen Behörden übergeben worden.