Frau auf Sofa mit Fernbedienung
Sean Locke / Digital Planet Design LLC
Fernseh-Vorschau: Fußball, Hitler, Autismus
Evangelisch.de blickt auf die Fernsehwoche - wo lohnt sich das Einschalten im Fernsehen vom 17. bis 21. Januar 2016?

17.1., ARD, 17:30 Uhr: "Gott und die Welt: 11 Götter sollt ihr sein"

"Es geht über die 90 Minuten hinaus. Schalke 04 und Fußball bestimmen unser ganzes Leben." So beschreibt ein Schalke-Fan den Stellenwert, den der Club für seine Familie hat. Der 59-jährige Innenarchitekt ist seit einem halben Jahrhundert glühender Schalke-Anhänger und hat damit seine ganze Familie infiziert, denn "solche Emotionen wie beim Fußball erlebst du nirgendwo anders." Der 35jährige Thorsten ist Fan von Werder Bremen und bezeichnet seine Liebe zum Verein als Lebenselixier: weil er hier sein kann, wie er wirklich ist. Thorsten hat eine Spastik auf der linken Körperhälfte und stottert. Je unwohler er sich fühlt, desto länger sucht er nach Worten. Doch wenn er über Fußball spricht oder beim Werder-Spiel seine Mannschaft anfeuert, ist diese Sprachstörung so gut wie weg. Die beiden Männer verdeutlichen, wie sinnstiftend Deutschlands beliebteste Sportart für viele Menschen in unserem Land ist. Fußball als Ersatzreligion: Das ist das Thema dieses Films von János Kereszti. "Fußball bietet Gemeinschaft, Freude, Halt und eine Aufgabe", erklärt Fußballtrainer Christoph Daum in der Reportage. Bei seinem Amtsantritt 2006 wurde er von den Fans des 1. FC Köln als "Messias" gefeiert. Der Film zeigt die Bedeutung, die Fußball für das Leben von Fans haben kann. Dabei wird sichtbar, wie viele Analogien es zur christlichen Kirche gibt. Die Liturgie im Stadion ähnelt oft der eines Gottesdienstes, vom Gesang über "Gebete" bis hin zum Glaubensbekenntnis. In manchen Lebensbereichen ersetzt der Fußball sogar die Funktion der Kirchengemeinschaft. Eine Religion könne es trotzdem niemals sein, sagt Eugen Eckert, Stadionpastor in Frankfurt. Für den fußballbegeisterten Geistlichen gibt es einen wesentlichen Unterschied: "Fußball kann sinnstiftend und glücksbringend sein, aber er kann keine Antworten darauf geben, wo wir herkommen oder was nach dem Tod passiert."

18.1., ARD, 23:30 Uhr: "Vater, Mutter, Hitler - Vier Tagebücher und eine Spurensuche"

Über siebzig Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus ist die Vergangenheit noch immer nicht vergangen. Bis heute gehen Kinder und Enkel auf Spurensuche und fragen sich, wie ihre Eltern und Großeltern zu Hitler und zur NS-Ideologie standen. Gehörten sie zu den Unterstützern und Anhängern des NS-Regimes? Oder waren sie vielleicht sogar Täter? Und was bedeuten die Antworten auf diese Fragen für ihr eigenes Leben heute? Die Angehörigen setzen sich dabei mit einer Seite ihrer Familiengeschichte auseinander, über die nach dem Krieg zu oft geschwiegen wurde, und lernen ihre Eltern und Großeltern dabei auch von einer manchmal verstörenden Seite kennen. Sie erfahren, welche Hoffnungen diese mit der Machtübernahme Hitlers verbanden, welche Lebensentwürfe sie verfolgten und wie sich ihr Leben unter Hitler veränderte. Sie erfahren aber auch, wie diese Lebensträume an Hitlers Politik zerbrachen - und manche müssen damit leben, dass Familienmitglieder zu den Tätern gehörten. Der Film erzählt, was die Angehörigen von vier ganz unterschiedlichen Menschen bei ihrer Spurensuche herausgefunden haben. Als Quelle dienen ihnen die Tagebücher ihrer Eltern oder Großeltern, in denen diese ihre Gedanken, Ansichten und politischen Überzeugungen festgehalten haben. Diese einzigartigen Zeugnisse sind unmittelbar unter dem Eindruck der historischen Ereignisse geschrieben und geben somit die Überzeugungen ihrer Verfasser unverfälscht und unbeeinflusst von den späteren politischen Entwicklungen wieder.

19.1., ZDF, 22:15 Uhr: "37 Grad: Kein Smalltalk, keine Lügen - Leben mit Autismus"

Ein Gen-Defekt ist dafür verantwortlich, dass das Gehirn von Autisten vor allem im Gefühlsbereich anders funktioniert. Schweregrad und Erscheinungsformen sind dabei sehr unterschiedlich. Manche sind hochbegabt, andere brauchen ein Leben lang Betreuung. "37 Grad" begleitet Menschen, die das Asperger-Syndrom haben, und geht dabei der Frage nach, was sie eigentlich von "normalen" Menschen unterscheidet. Peter zum Beispiel hat in Geophysik promoviert und eine Familie gegründet, er arbeitet in der IT-Abteilung eines Pharmakonzerns. Seine erste Liebeserklärung war eine Zeichnung am Sandstrand: ein mathematisches Koordinatensystem, das zeigt, dass "Liebe ein Zugewinn an Vertraulichkeit" darstellt. Denise wirkt auf den ersten Blick gar nicht sonderbar. Sie schaut in die Augen, runzelt die Stirn, lächelt. Doch vieles an ihrem Verhalten hat sie sich hart antrainiert. Es fehlt die Empathie, das Hineinversetzen in das Gegenüber. Gefühle müssen mit Worten benannt werden. Denise schreibt in einer Stunde einen Artikel, für den andere zwei Tage brauchen. Trotzdem lebt sie noch bei ihrer Mutter, die ihr bürokratische Dinge abnimmt. Jetzt wagt sie den Schritt in die Selbstständigkeit: Sie zieht mit ihrem neuen Freund in eine eigene Wohnung.

19.1., 3sat, 23:50 Uhr: "37 Grad: Dorf des Vergessens"

Die Menschen, die in Tönebön leben, verstehen die Welt nicht mehr, und das keineswegs bloß in übertragener Hinsicht: Tönebön ist das erste deutsche Demenzdorf. Jana Matthes und Andrea Schramm haben einige der Bewohner ein halbes Jahr lang begleitet; in dieser Reportage erzählen sie ihre Geschichten. Zum Beispiel die von Barbara Thiede. Sie verlegte Kreditkarten, ließ Essen auf dem Herd anbrennen und vergaß, wo sie ihr Fahrrad abgestellt hatte. Mit fünfzig Jahren bekam sie die Diagnose: Alzheimer. Irgendwann konnte sie den Alltag Tochter nicht mehr bewältigen; selbstbestimmt leben wollte sie trotzdem. So fand sie Tönebön am See. Hier soll so viel wie möglich an zu Hause erinnern. Die Bewohner stehen auf, wann sie wollen und entscheiden selbst, wie sie den Tag verbringen. Sie kaufen im örtlichen Minimarkt ein und kochen gemeinsam in ihrer Wohngruppe. Die Bedürfnisse der Bewohner haben Vorrang vor dem Zeitplan der Pfleger.
Viele Menschen glauben, sie seien hier zur Kur oder machten Urlaub; die Flachbauten am Rande Hamelns wirken in der Tat wie eine freundliche Ferienanlage.
Rund fünfzig Demenzkranke wohnen in Tönebön. Im Demenzdorf sind alle Türen unverschlossen, die Bewohner können einander besuchen und im Garten spazieren gehen. Alle Wege führen auf den runden Dorfplatz, so dass niemand in einer Sackgasse landet.

19.1., BR, 22:45 Uhr: "Das Golddorf"

Filmautorin Carolin Genreith besucht während eines Dreivierteljahres immer wieder die Ortschaft Bergen im Chiemgau und begleitet zwei Flüchtlinge, die dort untergebracht wurden und sich mit einem neuen Leben und einer neuen Umgebung arrangieren müssen. Sie folgt ihnen durch die ersten Monate in einer Heimatidylle, die wie eine Postkarte wirkt, begleitet sie durch die ersten Deutschkurse, die ersten Annäherungen an das Dorf und seine Einwohner und bei dem monatelangen Warten auf eine Entscheidung der deutschen Behörden. Bergen ist ein "Golddorf". So werden bis heute die Dörfer genannt, die im bis in die 90er-Jahre stattfindenden Wettbewerb "Unser Dorf soll schöner werden" die Goldmedaillen gewannen. In Bergen leben zum Zeitpunkt des Filmdrehs um die 50 Flüchtlinge aus Eritrea, Syrien und Afghanistan. Heimatlosigkeit trifft auf Heimatidylle. Der Film porträtiert zwar die Flüchtlinge, entdeckt gleichzeitig aber ein ganz normales bayerisches Dorf, seine Sorgen und das Heimatgefühl seiner Bewohner.

20.1., Arte, 23:25 Uhr: "Die Hüter der Tundra"

Vor einiger Zeit hat René Harder in seinem wunderbaren Dokumentarfilm "Herr Pilipenko und sein U-Boot" (2006) beschrieben, wie ein Mann mitten im ukrainischen Niemandsland ein U-Boot baut. Sein zweiter Film, "Die Hüter der Tundra", führte ihn in den Norden Russlands: Nach mehreren Jahren der Vorbereitung hat er zwölf Monate lang den Alltag der seit Jahrtausenden als Rentierzüchter auf der Kola-Halbinsel verwurzelten Volksgruppe der Sámi beobachtet. Das Ergebnis ist nicht nur ein von Zuneigung und Sympathie geprägtes Dokument, sondern auch ein Plädoyer: Die russische Rohstoffindustrie ist dabei, die Halbinsel des Volkes zu erobern und die Ureinwohner zu verdrängen. Protagonistin des Film ist Sascha, eine junge Frau und Mutter, die als Abgeordnete im samischen Parlament für die Erhaltung ihrer uralten Kultur kämpft. Harder selbst hält sich vollkommen zurück; das Wort hat allein Sascha. Über weite Strecken aber lässt "Die Hüter der Tundra" ohnehin die Bilder sprechen; gerade die Aufnahmen der durch die winterliche Landschaft getriebenen Rentierherde sind spektakulär. 

21.1., WDR, 23:25 Uhr: "Berufswunsch: Nonne - Margarethe macht ernst"

Margarethe fährt leidenschaftlich gern Motorrad. Sie trinkt gern ein Bier mit Freunden, geht auf Partys und hat einen Freund. Mit 24 trifft sie eine Entscheidung, die ihre Familie und Freunde überrascht: Sie will ins Kloster. Immer wieder zieht es sie zu den Zisterzienserinnen in St. Marienstern in der Oberlausitz. Im Sommer 2013 wird sie Novizin. Ein Schweigejahr beginnt. Kein Kontakt nach außen. Kein Besuch. Ein letztes Mal steigt Margarethe aufs Motorrad und dreht eine Runde im Klosterhof. Noch hat sie Zweifelt, ob das Kloster für immer ein lebenswerter Ort ist. Ein Leben ohne Männer, nie Mutter sein, nicht einfach mal Freunde treffen oder in den Urlaub fahren - will sie das überhaupt? Schafft sie das? Das Filmteam durfte Margarethe von den ersten Wochen im Kloster bis zur endgültigen Entscheidung begleiten. Auch während des Schweigejahres waren gelegentliche Gespräche möglich. Der Film beschreibt, wie Margarethe sich mit den neuen Lebensumständen anfreundet, wie sich ihr Glaube verändert und wie die älteren Ordensschwestern mit der Neuen zurechtkommen.

21.1., MDR, 22:35 Uhr: "Laufen bis zum Umfallen"

Ein düsterer Ort, der ein dunkles Geheimnis birgt: die so genannte Schuhprüfstrecke im KZ Sachsenhausen. Hier mussten Häftlinge auf einer speziell angelegten, 700 Meter langen Prüfstrecke, die abwechselnd mit Split, Schotter, Lehm, Schlacke und anderen Straßenbelägen ausgelegt war, bis zu 48 Kilometer am Tag in Testschuhen zurücklegen. Hunderte starben hier den Erschöpfungstod oder durch Folter der brutalen SS-Wachmannschaften. Das so genannte "Schuhläuferkommando" war daher als Strafkommando unter Häftlingen besonders gefürchtet, war es doch für viele ein Todesurteil.
Die Historikerin Anne Sudrow deckte auf: Die Schuhprüfstrecke diente fast der gesamten damaligen Schuhindustrie und ihren Zulieferfirmen dazu, ihre Produkte zu testen und weiterzuentwickeln. Darunter auch solche, die bis heute erfolgreich sind. Der Ort ermöglichte ihnen eine preiswerte Forschung und Entwicklung. Die Testreihen auf der Schuhprüfstrecke sind die einzigen nicht-medizinischen Humanexperimente, die in einem KZ durchgeführt wurden und nur wirtschaftlichen Zwecken dienten. Heute leben noch fünf Zeitzeugen dieser menschenverachtenden Experimente. Einer von ihnen ist der 93-jährige Joop Snep. Er kam ins KZ, weil er Juden zur Flucht verhalf. Die Autorinnen Susanne Heim und Silke Meyer trafen ihn in Amsterdam. Anlässlich der offiziellen Feier zur 70-jährigen Befreiung des KZ ist er noch einmal nach Sachsenhausen gekommen.