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Flüchtlinge kommen in der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen an.
Rückhalt für Flüchtlingspolitik schwindet
Die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verliert vermehrt Zustimmung in der Bevölkerung und den eigenen Reihen.

Berlin (epd)Nur wenige Wochen nach dem Parteitag der CDU, der den Kurs der Kanzlerin unterstützte, entfachen Skeptiker in der Union einen neuen Streit um Obergrenzen und Zurückweisungen von Flüchtlingen. Die Dortmunder "Ruhr Nachrichten" (Samstagsausgabe) berichten von einem Brief von Innenexperten der Unionsfraktion, nach dem diese eine "Änderung der Zuwanderungspraxis" für "dringend geboten" hielten.

Parlament abstimmen lassen

Der Brief soll den Angaben zufolge in der kommenden Woche an die Kanzlerin geschickt werden. Der Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer (CSU) widersprach indes im Deutschlandfunk Meldungen, es würden Unterschriften gegen den Kurs der Kanzlerin gesammelt. Wiederholt gab es die Forderung, das Parlament über die Ausrichtung der Flüchtlingspolitik abstimmen zu lassen. Im "Spiegel" wiederholte der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) diese Forderung: Der Bundestag sei nie gefragt worden, "ob er die dauerhafte Fortsetzung des Ausnahmezustandes will".

Gemeint ist damit die Entscheidung der Kanzlerin im vergangenen Sommer, Tausenden Flüchtlingen vor allem aus Syrien die Weiterreise aus Ungarn zu erlauben. Für sie wurde die Dublin-Verordnung nicht angewendet, nach der sie in dem EU-Land Asyl beantragen müssen, über das sie eingereist sind. Kritiker der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung machen diese Entscheidung für die daraufhin stark gestiegene Zahl von Flüchtlingen verantwortlich.

Auch in der SPD gibt es inzwischen Kritik am Kurs von Merkel. "Die Bundeskanzlerin wird sich im Laufe des Jahres korrigieren müssen", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) der Tageszeitung "Die Welt" (Freitagsausgabe). "Entweder gelingt es, international die Zugangszahl zu drosseln. Oder wir müssen Dinge tun, die niemand will und die Europa schaden werden", sagte er und verwies auf die offenen Grenzen.

Umfragen von ARD und ZDF legen nahe, dass auch in der Bevölkerung der Rückhalt für die Kanzlerin schwindet. Dem ARD-Deutschlandtrend zufolge bezweifelt jeder zweite Bundesbürger (51 Prozent), dass Deutschland die aktuelle Flüchtlingskrise bewältigen kann. 44 Prozent unterstützen die Einschätzung Merkels. Auch das aktuelle ZDF-Politbarometer zeigt Skepsis der Bürger: 60 Prozent der Befragten waren hier der Meinung, dass Deutschland die Zahl der Flüchtlinge nicht verkraften könne. 37 Prozent halten sie für verkraftbar.

Unterstützung bekommt Merkel dagegen vom ehemaligen Außenminister Joschka Fischer (Grüne). "Alles in allem kann ich ihr keine schlechten Noten geben", sagte er dem Fernsehsender Phoenix. Zudem kritisierte er: "Mir wird zu viel von Überforderung geredet und zu wenig von den Chancen."

Obergrenze verstößt gegen Verfassung

Regierungssprecher Steffen Seibert verteidigte den Kurs der Kanzlerin, die mit einem Paket nationaler, europäischer und internationaler Maßnahmen die Flüchtlingszahlen reduzieren will. Dazu gehört der Wunsch nach einer besseren Verteilung Asylsuchender in der EU und die geplante engere Kooperation mit der Türkei, die Flüchtlinge von der Weiterreise in die EU abhalten soll. Für Freitag nächster Woche sind die ersten deutsch-türkischen Regierungskonsultationen geplant, bei denen es auch um das Thema Migration gehen soll.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gab der Kanzlerin Rückendeckung. Angesichts der Herausforderungen sei es nicht erstaunlich, dass es Diskussionen gebe. "Von Partnern kann man aber erwarten, dass sie nicht verfassungsfremde oder auch den Regeln des Rechtsstaats entgegenstehende Hilfslösungen verlangen, sondern eine Debatte um Instrumente führen, die tatsächlich zur Verfügung stehen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Samstagsausgabe) mit Blick auf den Streit in der Union.

Eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen mit der Konsequenz von Zurückweisungen von Asylsuchenden lehnt Merkel nicht nur als praktisch nicht umsetzbar ab. Sie würde auch gegen den Grundsatz in der Verfassung verstoßen, wonach jeder Flüchtlinge ein Recht hat, seinen Antrag auf Schutz zu stellen.