Genf (epd)Als der zweijährige Emile an einem hohen Fieber erkrankte, wurde in seinem Heimatdorf Méliandou gerade Weihnachten gefeiert. Sechs Tage später war Emile tot. Er starb an Silvester, dem letzten Tag des Jahres 2013. Dass er der "Patient Null" war, der erste von mehr als 11.300 Opfern der bislang schlimmsten Ebola-Epidemie überhaupt, fanden Mediziner erst Monate später heraus.
Am Donnerstag hat die Weltgesundheitsorganisation WHO nun endlich den Sieg über die Ebola in Westafrika erklärt. In Emiles Heimat Guinea sowie den Nachbarländern Sierra Leone und Liberia wurden in den vergangenen zwei Jahren mehr als 28.600 Ebola-Erkrankte registriert. Die Dunkelziffer ist vermutlich deutlich höher. Ein wirksames Medikament gegen die Krankheit gibt es nicht.
170 Ärzte für zehn Millionen Menschen
Die ersten Ebola-Fälle wurden erst Monate nach Emiles Tod in der 650 Kilometer entfernten Hauptstadt Conakry diagnostiziert, auch deshalb, weil es nur dort halbwegs ordentlich ausgestattete Krankenhäuser gibt. Von Méliandou aus, das nahe der unmarkierten Grenzen zu Sierra Leone und Liberia liegt, hatte sich das Virus zeitgleich auch dorthin ausgebreitet. 170 Ärzte sorgten in den beiden Ländern zu diesem Zeitpunkt für zehn Millionen Menschen - kein Wunder, dass die Epidemie dort lange unentdeckt blieb.
Die WHO zögerte, bis sie den Notstand ausrief. Bis besorgte Staaten Soldaten, Isoliereinheiten und Nahrungsmittel nach Afrika schickten, stieg die Zahl der Neuinfektionen auf weit über 100 pro Woche. In Liberias Hauptstadt Monrovia wurden ganze Stadtviertel abgeriegelt, Panik brach aus. Bauern im Hinterland von Sierra Leone saßen auf ihren Höfen fest und warteten darauf, dass die Quarantäne aufgehoben würde. Soldaten an Straßensperren verhinderten jede Fortbewegung. Unterdessen verrottete die Ernte auf den Feldern. Grenzen wurden geschlossen, die Wirtschaft lag brach.
Als vor einigen Wochen in Sierra Leone und Guinea das offizielle Ende der Ebola-Epidemie verkündet wurde, tanzte die Bevölkerung auf den Straßen. Zur Freude, überlebt zu haben, kam die Hoffnung, die Normalität werde wieder zurückkehren - selbst die ist in diesen Ländern für die meisten schwer genug zu meistern. Doch wie trügerisch die Hoffnung sein kann, zeigt gerade das Beispiel Liberias. Das Land wurde bereits zweimal, im Mai und im September, für ebolafrei erklärt - bis ein neuer Fall bekannt wurde.
Situation für Überlebende schwierig
Auch deshalb warnte die WHO am Donnerstag, wachsam zu bleiben. Der bislang letzte Fall in Liberia ist nach ihren Angaben besonders bedenklich, denn er wurde offenbar von einem Erreger ausgelöst, der in einem überlebenden Ebola-Opfer ausharrte. Vermutlich wurde das Virus durch Sexualkontakt übertragen.
Für die Überlebenden wird die Lage damit vermutlich noch schwieriger als bisher. "Von den gut 15.000 Überlebenden leiden viele unter körperlichen oder seelischen Problemen", sagt Armand Sprecher, Gesundheitssysteme-Experte von "Ärzte ohne Grenzen". "Aber der Zugang zu medizinischer Versorgung ist ein großes Problem für sie, zumal viele ihre Arbeit verloren haben."
Sprecher beklagt zudem den anhaltend schlechten Zustand der öffentlichen Gesundheitsversorgung. "Das größte Risiko ist heute das schwache Überwachungssystem." Wenn Infizierte mit anderen in Kontakt gekommen seien, diese Kontakte aber nicht überprüft würden, könne sich das Virus schnell ausbreiten. Jenseits der Hauptstädte sind die Krankenhäuser nach wie vor in erbärmlichem Zustand. Und nachdem viele Ärzte und Pfleger bei der Behandlung von Ebola-Kranken gestorben sind, ist Personal knapper denn je.
Wissenschaftler wie Robert Dorit vom Smith College in den USA, der die Ausbreitung des Ebola-Virus untersucht hat, warnen zudem vor anderen Faktoren, die weitere Ebola-Ausbrüche begünstigen könnten. Er führt Emiles Erkrankung am Weihnachtstag 2013 auf die massive Abholzung in der Umgebung von Méliandou zurück. Nur so habe das Kleinkind in Kontakt mit Fledermäusen kommen können, die das Virus übertragen hätten. Regenwälder, die eine natürliche Barriere zwischen Bevölkerung und Wirten wie den Fledermäusen darstellten, fallen überall in Afrika Kettensägen zum Opfer. Die jüngste Epidemie könnte somit nur ein Anfang gewesen sein.