Weiterer Klärungsbedarf zum Polizeieinsatz in Kölner Silvesternacht
Nach den Diebstählen und sexuellen Übergriffen auf Frauen durch Männergruppen in der Silvesternacht bleibt die Kölner Polizei in der Kritik. NRW-Ministerpräsidentin Kraft stärkte in einer TV-Debatte ihrem Innenminister den Rücken.

Köln (epd)Nach dem Bericht des NRW-Innenministers Ralf Jäger (SPD) vor dem Innenausschuss des Landtags besteht zum Polizeieinsatz in der Kölner Silvesternacht weiterhin Klärungsbedarf. Kritik an einer falschen Lageeinschätzung äußerte die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) am Montagabend in der ARD-Sendung "Hart aber fair". Dass die Polizei in der Nacht keine Verstärkung angefordert habe, sei Teil des Problems gewesen, sagte Kraft. Damit stärkte sie Jägers Position, der in seinem Bericht vor dem Innenausschuss die Kölner Polizeiführung belastet hatte. Die Oppositionsfraktionen von CDU und FDP beantragten am Dienstag eine Sondersitzung des Landtags zur Aufklärung der Geschehnisse.

Kritische Aufarbeitung

Pauschale Kritik an der Kölner Polizei wies der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei NRW, Arnold Plickert, zurück und forderte im WDR-Radio zugleich eine kritische Aufarbeitung des Silvester-Einsatzes. Plickert räumte ein, dass die Einsatzkräfte vor Ort die Lage an Dom und Hauptbahnhof möglicherweise zum Teil falsch eingeschätzt hätten. Er bestätigte, dass ein Polizeiführer aus Köln an Silvester um 23.30 Uhr die von der Landesleitstelle angebotene Verstärkung abgelehnt hatte. Allerdings sei eine zehn Tage zuvor vom Polizeipräsidium Köln angeforderte Hundertschaft nicht in voller Stärke zur Verfügung gestellt worden.

Auch der NRW-Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Erich Rettinghaus, forderte eine lückenlose Aufklärung des Einsatzes und eine Klärung der Frage, warum keine Verstärkung angefordert wurde. Rettinghaus mahnte zudem einen "offenen und ehrlichen Umgang mit der Herkunft beziehungsweise Aufenthaltsstatus vermeintlicher Täter" an. Erkannte Probleme zu verschweigen, sorge nur für einen weiteren Vertrauensverlust der Menschen.

In Köln hatten in der Silvesternacht Gruppen junger Männer, offenbar vor allem aus dem nordafrikanisch-arabischen Raum, vor dem Hauptbahnhof Frauen sexuell bedrängt und bestohlen. Der Polizei war es nicht gelungen, die Übergriffe zu verhindern, die aus einer Menge von zeitweise mehr als tausend Menschen heraus begangen wurden. Inzwischen liegen über 500 Strafanzeigen vor.

Kritik am Umgang mit Straftaten von Ausländern äußerte auch der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. Seit Jahren bestehe in der Polizei eine Atmosphäre von "besser nichts sagen", sagte er in der Sendung "Hart aber fair". Ein vom NRW-Innenministerium herausgegebener Erlass zum Sprachgebrauch der Polizei bei Straftaten von Ausländern trage mit dazu bei.

Verabredung der Täter

Der "Kölner Stadt-Anzeiger" zitierte aus dem Runderlass, der dem Bericht zufolge aus dem Jahr 2008 stammt und bindend für alle Polizeibehörden im Land ist. Unter der Überschrift "Leitlinien für die Polizei des Landes zum Schutz nationaler Minderheiten vor Diskriminierung" weise das Ministerium die Polizeibehörden an, "beim internen wie externen Gebrauch jede Begrifflichkeit" zu vermeiden, "die von Dritten zur Abwertung von Menschen missbraucht beziehungsweise umfunktioniert oder in deren Sinne interpretiert werden kann".

Der Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, hält bei den massenhaften Übergriffen eine Verabredung von Tätern in sozialen Netzwerken für wahrscheinlich. Eine Form der organisierten Kriminalität sehe er allerdings nicht, sagte Münch im rbb-Radio. Organisierte Kriminalität besitze eine andere Qualität, etwa geschlossene oder hierarchisch strukturierte Tätergruppen.