Ulrich Parzany, evangelikaler Prediger und langjähriger Hauptredner bei "ProChrist", möchte die historisch-kritische Bibelauslegung "überwinden" und fordert, an der Judenmission festzuhalten. Das schreibt er in einem Memorandum, das der Informationsdienst "idea" am 8. Januar veröffentlichte. "idea" habe den Text auf Parzanys Bitte hin dokumentiert, heißt es im Vorspann zu dem Text, der auch auf der idea-Webseite online steht.
Wörtlich schreibt Parzany: "Die Bibel ist Gottes Wort. Sie ist Urkunde der Offenbarung Gottes. Die historisch-kritische Bibelauslegung wird dieser Tatsache nicht gerecht und ist zu überwinden. Es ist völlig unakzeptabel, dass die historisch-kritische Bibelauslegung in der Ausbildung der Pfarrer nach wie vor eine beherrschende Rolle hat."
Parzanys Memorandum ist der nächste Schritt im aktuellen Streit unter den Evangelikalen, der sich an einem Gespräch von Michael Diener mit der "Welt" entzündete. Der Vorsitzende der Evangelischen Allianz, der im November 2015 in den Rat der EKD gewählt wurde, hatte die ablehnende Haltung gegenüber homosexuellen Paaren im Pfarrhaus relativiert. Gegenüber dem Magazin "pro" bekräftigte Diener, dass Homosexuelle auch in evangelikalen Gemeinden mitarbeiten könnten, "wenn Menschen für sich diese Frage geistlich geklärt haben", auch wenn die meisten evangelikalen Gemeinden noch nicht so weit seien.
Das hatte in evangelikalen Kreisen für Aufruhr gesorgt. Nun hat sich Ulrich Parzany noch einmal deutlich positioniert. Für den 23. Januar hat er rund 60 evangelikale Vertreter nach Kassel eingeladen, um auf der Basis des konservativen Aufrufes "Zeit zum Aufstehen" und seines neuen Memorandums über die Gründung eines deutschlandweiten Bekenntnisnetzwerks zu sprechen.
Bemerkenswert ist auch eine weitere Passage in Parzanys Sechs-Punkte-Memorandum, das den Titel "Wenn die Bibel Gottes Wort ist..." trägt. Sie enthält die Aufforderung zur Judenmission: "Jesus Christus allein ist Retter für alle Menschen. Wir bekennen mit der ganzen Christenheit seine Menschwerdung, sein stellvertretendes Leiden und Sterben am Kreuz, seine Auferweckung und sein Wiederkommen zur Auferweckung der Toten und zum Gericht. Wir verwerfen die falsche Lehre, es gäbe auch andere Wege zum Heil, und das Evangelium von Jesus Christus müsse nicht allen Menschen zu ihrer Rettung verkündet werden. Es gilt auch daran festzuhalten, dass die rettende Botschaft von dem Messias Jesus nach wie vor den Juden zuerst gilt."
Damit betont Parzany einen der wesentlichen Unterschiede zur EKD. Denn deren Synode hatte im November 2015 eine Erklärung zum Thema "Luther und die Juden" verabschiedet, in der sie sich klar von Luthers judenfeindlichen Reden distanziert. Bis 2017 will die EKD ihr Verhältnis zur Judenmission endgültig klären; erwartet wird, dass sie sich dabei der Mehrheit der Landeskirchen anschließt, die der Judenmission bereits eine klare Absage erteilt haben.
Zur Frage, inwieweit die Bibel Gottes Wort ist, äußerte sich auch Thies Gundlach, theologischer Vizepräsident des EKD-Kirchenamtes. In einem epd-Interview, das bereits vor Parzanys Memorandum erschien, sagte er: "Die Bibel ist Gottes Wort, aber dieses Wort ist in die Welt zum Menschen gekommen und bedarf darum der menschlichen Kunst der Auslegung." Gundlach sagte auch, er bedauere "den nun von manchen angeschlagenen scharfen Ton".