Berlin (epd)Zum Kinderkriegen braucht man keinen Trauschein - und neuerdings auch nicht mehr, um vom Staat einen Zuschuss zu einer künstlichen Befruchtung zu erhalten. Nachdem bisher nur Ehepaare unterstützt worden sind, hilft der Bund durch die Änderung der Förderrichtlinie ab sofort auch unverheirateten Paaren, teilte das Bundesfamilienministerium am Donnerstag in Berlin mit. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) erklärte, es sei nicht mehr zeitgemäß, unverheiratete Paare anders zu behandeln als Ehepaare. Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung, Mitverfasser des sogenannten Familienpapiers der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), bezeichnete die Unterstützung für unverheiratete Paare als "angemessen und sinnvoll".
Bisher half der Bund nur Ehepaaren, die ersten vier Versuche einer künstlichen Befruchtung zu finanzieren. Voraussetzung ist, dass auch das Bundesland, in dem das Paar wohnt, künstliche Befruchtungen bezuschusst. Das ist gegenwärtig in Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern der Fall. Nur Sachsen-Anhalt fördert auch unverheiratete Paare. Schwesig will die übrigen Länder dazu bewegen, ihre Förderung ebenfalls zu öffnen - beziehungsweise in die Förderung einzusteigen.
Denn in den übrigen Bundesländern erhalten Ehepaare bisher allein die gesetzlichen Zuzahlungen der Krankenkassen von 50 Prozent für die ersten drei Versuche einer künstlichen Befruchtung. Die Kosten liegen je nach Methode und Anbieter in Deutschland bei mindestens 2.000 Euro pro Versuch. Die Kassen zahlen nur, wenn die Frau zwischen 25 und 40 und der Mann zwischen 25 und 50 Jahren alt ist.
Mehr als 85.000 Behandlungen
Wenn alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, erhalten unverheiratete Paare vom Bund ab sofort für die ersten drei Versuche 12,5 Prozent ihrer Ausgaben zurück, für die vierte Behandlung bis zu 25 Prozent. Ehepaare erhalten pro Versuch 25 Prozent - für sie übernimmt aber die Krankenkasse vom ersten bis zum dritten Versuch 50 Prozent der Behandlungskosten, so dass ein geringerer Eigenanteil bezuschusst wird.
Hat also ein verheiratetes Paar nach der Abrechnung mit seiner Krankenkasse noch 1.000 Euro selbst zu bezahlen, übernehmen Bund und Land einen Anteil von 250 Euro. Bei einem unverheirateten Paar, das 2.000 Euro allein tragen muss, zahlen Bund und Land zusammen 12,5 Prozent, also ebenfalls 250 Euro. Gleichgeschlechtliche Paare werden nicht unterstützt, erklärte das Familienministerium auf Nachfrage.
Nach Angaben des Bundesverbandes der Reproduktionsmedizinischen Zentren in Deutschland wurden 2014 mehr als 85.000 Behandlungen für eine künstliche Befruchtung registriert. Die Zahl hat sich in den vergangenen 25 Jahren fast verzehnfacht. Beim Spitzenverband der Krankenkassen und beim Statistischen Bundesamt liegen keine bundesweiten Zahlen vor.
Schwesig: Künstliche Befruchtung enttabuisieren
Familienministerin Schwesig erklärte, es sei ihr ein wichtiges Anliegen, die künstliche Befruchtung zu enttabuisieren. Wenn mehr Kinder geboren werden sollten, müssten alle Paare gefördert werden. Familienpolitik müsse sich an der Lebenswirklichkeit der Familien orientieren, sagte die SPD-Politikerin.
Auch Kirchenpräsident Jung erklärte, die neue Regelung trage der gesellschaftlichen Wirklichkeit Rechnung, in der immer mehr Paare ohne Trauschein zusammenlebten. Damit gehe die Regelung davon aus, "dass auch in einer solchen Lebensform Menschen dauerhaft und verlässlich füreinander und für ihre Kinder Verantwortung übernehmen", sagte Jung dem Evangelischen Pressedienst (epd). Jung ist Mitverfasser der EKD-Orientierungshilfe "Zwischen Autonomie und Angewiesenheit", die Mitte 2013 eine heftige Diskussion ausgelöst hatte. In dem Papier spricht sich die Kirche dafür aus, alle Familienformen anzuerkennen. Kritiker sahen darin ein Abrücken vom christlichen Leitbild der Ehe.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts sank die Zahl der Ehepaare in den vergangenen 15 Jahren um zwei Millionen auf rund 17,5 Millionen. Im gleichen Zeitraum stieg der Zahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften von knapp 2,1 auf gut 2,8 Millionen.