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Jutta Zeisset in ihrem Hofladen in Weisweil. Sie gibt Social-Media-Seminare für Landwirte.
Ein Hofladen auf Facebook
Wie Soziale Medien Landwirten helfen, für mehr Transparenz zu sorgen
Landwirte entdecken Soziale Medien wie Facebook und Twitter für sich. Das kann das Verständnis der Verbraucher schärfen oder Direktvermarktern neue Kundschaft erschließen, bringt aber auch Fallen mit sich, wie eine Social-Media-Trainerin berichtet.
07.01.2016
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Sebastian Stoll (epd)

Weisweil (epd)Wenn Jutta Zeisset ein Foto auf ihre Facebook-Seite stellt, dann sieht man darauf meist ganz einfache Dinge: tiefrote Äpfel und Raureif zum Beispiel oder Teigklumpen, Mehl und einen Steinofen. Motive, die etwas von Jahreszeiten erzählen sollen und vom Lauf der Natur. "Man kann auf diese Weise Nähe und Kundenbindung erzeugen", sagt Zeisset. Sie betreibt einen Hofladen im baden-württembergischen Weisweil und gibt Social-Media-Seminare für Landwirte. Etwa 15 bis 20 Menschen sitzen durchschnittlich in den Kursen, die sie im Auftrag der Landfrauenbewegung und des Deutschen Bauernverbandes veranstaltet - 2014 kürten die Landfrauen sie zur "Unternehmerin des Jahres".

Verständnis wecken

Während ein Internet- und ein Social-Media-Auftritt in anderen Branchen längst schon üblich ist, machen sich viele Landwirte erst jetzt mit der Materie vertraut. Langsam werden ihnen die Chancen bewusst, ihr Image zu verbessern, Verständnis zu wecken oder neue Kundschaft zu erschließen - und einige haben schon die Risiken kennengelernt; etwa, was es bedeuten kann, wenn ein Foto den Geschmack der Nutzer nicht trifft.

Zeissets Seminarteilnehmer sind oft älter als 45 und wissen wenig über Soziale Medien. Zu den ersten Dingen, die sie ihnen beibringt, gehört das Posten von Fotos. Ihrer Ansicht nach ist das das wichtigste Werkzeug eines Landwirts im Internet. "Viele Menschen wissen nicht, wie ein Landwirt arbeitet. Mit Fotos kann ich zeigen, wie es im Betrieb läuft." Wichtig sei nur, dass die Fotos authentisch seien. "Dann kann ich mit den Nutzern auch in einen Dialog treten."

Zu den größeren Facebook-Seiten rund um Landwirtschaft gehört "Frag doch mal den Landwirt", betrieben von mehreren Familienbetriebs-Bauernhöfen. Sie geben realistische Einblicke in die Arbeit der Bauern - da geht es um das Weihnachtskalb genau so wie um die Aufregung der Kühe im Krach der Silvesternacht und um die Bemühungen eines Ackerbaubetriebs um Bodenschutz und Nachhaltigkeit. Mehr als 18.000 Fans hat die Seite bereits, es gibt sie seit September 2014.

Bewusstsein schärfen

Der Wanderschäfer Sven de Vries auf der Schwäbischen Alb twittert seit April 2015 regelmäßig über das Leben mit seiner Schafherde - unterwegs bei jedem Wetter, Zwillingsgeburten, Entwurmen, der Weg zum Schlachthof. Rund 3.700 Follower begleiten ihn, fragen nach. Er will den Nutzern nahebringen, was es heißt, Schäfer zu sein, erklärt er auf seiner Homepage: "Das Bewusstsein einiger Follower für Tierhaltung und Landwirtschaft schärft sich langsam aber sicher."

Das ist nicht immer einfach, wie einer von Jutta Zeissets Kursteilnehmern erfahren hat - gerade, wenn es um Tiere geht. Er hatte ein Foto von sich unter dem Sonnenschirm ins Internet gestellt, in dessen Hintergrund man Kälber in der prallen Sommersonne sah. "Die Kälber hatten sogar einen Unterstand, man konnte ihn nur im Bild nicht sehen. Das hat der Landwirt aber nicht geschrieben, sondern einfach nicht reagiert. Also gab es einen Shitstorm, das geht ganz schnell", beschreibt Zeisset.

Aber es geht nicht nur um Missverständnisse - ob Schweine oder Hühner auf einem Foto glücklich sind, liegt immer auch im Auge des Betrachters. Ist der Stall zu voll? Was bedeutet artgerecht? Es gibt Punkte, an denen es nicht ausreicht, wenn ein Landwirt seinen Alltag dokumentiert - weil sich die Wirklichkeit eben verschieden interpretieren lässt. "Wenn sich in puncto Tierwohl nichts ändert, wird der Blick in den Stall die Verbraucher nur noch mehr schockieren", umschrieb etwa der Agrarwissenschaftler Achim Spiller von der Universität Göttingen einmal das Dilemma, das Landwirte und Verbraucher bisweilen trennt.

Nicht ausufern lassen

Gute Erfahrungen mit Facebook und Twitter hat man beim Bio-Erzeugerverband Demeter gemacht: "Wir erleben zunehmend breiteres und tieferes Interesse an den Fragen der Nutztierhaltung und freuen uns darüber", sagt Sprecherin Renée Herrnkind. "Nur, was ich kenne, kann ich auch schützen - zum Beispiel durch die Bereitschaft, angemessene Preise für tierische Produkte zu bezahlen."

Dass Facebook, Twitter und Co. die Widersprüche zwischen konventioneller Landwirtschaft und den Positionen engagierter Tierschützer oder Veganer nicht immer auflösen können, weiß auch Social-Media-Trainerin Jutta Zeisset. "Ich rate dann immer, Diskussionen nicht ausufern zu lassen, sondern die Leute schlicht und einfach mal auf den Hof einzuladen."