Spielzeugpanzer mit künstlicher Blutspur
Foto: kallejipp/photocase
Waffen für Saudi-Arabien: "Ein unerträglicher Zustand"
Angesichts der Verschärfung des Konflikts zwischen Saudi-Arabien und dem Iran hat die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) ein sofortiges Ende von Rüstungsexporten in die Region gefordert.

"Die erteilten Genehmigungen müssen gestoppt oder ausgesetzt werden", sagte die Leiterin der katholischen Geschäftsstelle der von beiden großen Kirchen getragenen Organisation, Gertrud Casel, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dies gelte für Genehmigungen, die in der ersten Jahreshälfte 2015 erteilt wurden, genauso wie für die noch von der schwarz-gelben Regierung genehmigte Ausfuhr von Patrouillenbooten. "Die Bundesregierung argumentiert, dass erhebliche Kompensationsforderungen auf sie zukämen, wenn sie diese Genehmigungen zurückziehen würde", das dürfe aber gerade in der jetzigen Lage kein Grund sein.

"Die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien ist generell abgründig", sagte Casel. Die Hinrichtungen eines schiitischen Predigers und 46 weiterer Menschen zeigten, wie schwierig die Situation sei. "Das andere ist die Konfliktregion und die Rolle, die Saudi-Arabien dort spielt. Das Ringen um die Vorherrschaft zwischen Saudi-Arabien und Iran hat schon länger aggressive und militante Züge angenommen", sagte Casel. Dass dies jetzt mit deutschen Waffen ausgetragen werden könnte, "ist ein unerträglicher Zustand".

"Top-Abnehmer deutscher Rüstungsgüter"

Die Bundesregierung hat in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres die Lieferung von Rüstungsgütern an Saudi-Arabien im Wert von rund 178,7 Millionen Euro genehmigt. Das geht aus dem Zwischenbericht der Bundesregierung zu den Rüstungsexporten 2015 hervor. Die Regierung in Riad war damit nach Großbritannien und Israel auf den dritten Platz der Bestimmungsländer vorgerückt.

Genehmigt wurde unter anderem der Export von Geländefahrzeugen und Teilen für gepanzerte Fahrzeuge sowie von Teilen für Kampfflugzeuge und Übungsdrohnen für das Training von Kampfpiloten. Insgesamt hatte die Bundesregierung im ersten Halbjahr 2015 Waffenexporte im Wert von 3,5 Milliarden Euro genehmigt und damit fast so viele wie im gesamten Jahr 2014.

Nach Angaben des Internationalen Konversionszentrums (BICC) in Bonn kann die Entwicklung der Waffenexporte nach Saudi-Arabien abschließend erst bewertet werden, wenn die Zahlen für das gesamte Jahr 2015 vorliegen. Das Land gehöre aber seit Jahren "zu den Top-Abnehmern deutscher Rüstungsgüter", sagte Rüstungs-Experte Max Mutschler dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das BICC ist eines der fünf bekannten Friedensforschungs-Institute in Deutschland.



Deutsche Waffen richteten bereits "erhebliches Unheil" in der Region an, sagte Gertrud Casel von der GKKE: "Es sind bereits deutsche Waffen im Jemen aufgetaucht." Dort sei ein Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran zu beobachten.

Ein anderes ständiges Problem sei die Unterstützung von Salafisten und terroristischen Gruppen durch das wahhabitische System in Saudi-Arabien. Vor diesem Hintergrund müsse man auch die im Dezember von Saudi-Arabien angekündigte Anti-Terror-Allianz arabischer Staaten kritisch sehen. "Wer definiert hier, wer ein Terrorist ist?", sagte Casel und verwies auf den schiitischen Prediger, der die Diskriminierung seiner Minderheit in Saudi-Arabien angeprangert habe und wegen angeblicher Terrorvorwürfe hingerichtet wurde. "Dieser Allianz muss man allein deshalb höchst skeptisch gegenüberstehen", sagte Casel.

"Es geht, wenn der politische Wille da ist"

Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) hatte auch in ihrem Rüstungsexportbericht 2015 Ende vergangenen Jahres die Bundesregierung aufgefordert, Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien zu stoppen. "Es bestehen ernsthafte Zweifel daran, dass die saudische Regierung an einer dauerhaften Befriedung der Region interessiert ist", so die Begründung. In dem Land bestehe eine "katastrophale Menschenrechtslage", außerdem seien saudische Truppen in Kampfhandlungen im Jemen verstrickt, heißt es in dem Papier, das am 17. Dezember 2015 veröffentlicht wurde.

Die GKKE zeichnet in dem Bericht einen Teil der Rüstungsexport-Debatte innerhalb der schwarzroten Bundesregierung nach. Dabei verweisen die Autoren auf Äußerungen von Horst Seehofer und anderen Unionspolitikern, die sich für Exporte nach Saudi-Arabien eingesetzt haben. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel dagegen hatte 2014 den Verkauf von Leonard 2-Kampfpanzern an das Königreich gestoppt, Patrouillenboote wurden aber 2015 erneut vom Bundessicherheitsrat genehmigt. Insgesamt, beklagt die GKKE, sei die Bundesregierung "nicht gewillt ..., weiterführende Auskünfte zur Rüstungsexportpolitik gegenüber Saudi-Arabien zu machen". Eindeutige Antworten auf Anfragen der Opposition habe sie nicht gegeben.

Oft seien von Vertretern der Unionsparteien wirtschaftliche Gründe für die Ausfuhren nach Saudi-Arabien genannt worden, aber auch die angeblich stabilisierende Funktion des Königreichs in der Golfregion. Es mangele an einer "zielgerichteten Diskussion, die versucht, die gegensätzlichen Argumente abzugleichen und eine gemeinsame Position herauszuarbeiten", kritisierte die GKKE in ihrem Bericht. Als Vorbilder nennt die Konferenz, die sich aus Vertretern der evangelischen und der katholischen Kirche zusammensetzt, die Schweiz und Schweden: Beide Länder haben demnach einen Exportstopp für Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien verhängt.

"Es geht, wenn der politische Wille da ist", sagte Gertrud Casel von der GKKE und verwies auf den Konflikt in der Ukraine: Nach der Eskalation der Krise dort habe Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im August 2014 eine große Liefergenehmigung nach Russland widerrufen und die Auslieferung gestoppt. Die Koalition müsse auch bei den Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien zu einer einheitlichen Haltung kommen. Inzwischen habe sich erwiesen, dass das Land kein Stabilitätspartner sei, sondern Konflikte in der Region eher anheize.