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Reparaturtreffs werden immer beliebter.
«Bevor man etwas wegwirft, sollte man reingucken»
Reparaturtreffs
werden immer beliebter
Kaputt - ach, weg damit. Mit dieser Devise hat der reiche Westen Jahrzehnte lang gelebt. Aber es ist wieder trendy, etwas zu reparieren. In rund 300 Repair-Cafés retten Tüftler, was zu retten ist. Wer es eilig hat, hat das Prinzip nicht verstanden.
04.01.2016
epd
Von Jutta Olschewski (epd)

Altdorf, Nürnberg (epd)Prasseln und Scheppern, viermal ein leises Klack, dann metallenes Schnarren: Sell Curtis bückt sich leicht und hält sein Ohr ganz nah an die silbergraue Maschine: "Das klingt gut", sagt er zufrieden. Der Mann neben ihm gerät fast aus dem Häuschen: "Suuuper, das probieren wir gleich noch mal." Einen halben Samstagnachmittag haben mehrere Männer auf diesen Moment gewartet. Die vollautomatische Kaffeemaschine von Anton Jäger ist wieder einsatzbereit.

Ehrenamtliche Reparateure

Immer am ersten Samstag im Monat zieht in ein Kinderhaus in Altdorf bei Nürnberg das Repair-Café ein. Mit Lötgeräten und Phasenprüfern, Schraubendrehern, Steckschlüsseln und Ölkännchen treten ein Dutzend ehrenamtliche Reparateure wie Sell Curtis an. Ihnen gegenüber sitzt an Tischen die Kundschaft mit ihren defekten Mixern, Staubsaugern, Heckenscheren oder Fernsehern. Gemeinsamer Wunsch: Die Geräte sollen wieder laufen. Manchmal soll noch ein letzter Versuch unternommen werden, bevor der Rasierapparat vielleicht doch im Müll enden muss.

Das Repair-Café in Altdorf ist eine von 300 Initiativen im deutschsprachigen Raum, die alle nach klaren Regeln funktionieren. Die Besitzer kaputter Geräte können sich von Hobbybastlern und Reparaturprofis kostenlos oder gegen eine kleine Spende helfen lassen, die Apparate wieder zum Laufen zu bringen.

Wer hier fragt, wann er sein defektes Gerät wieder abholen kann, hat von dem Prinzip noch nichts gehört. Einem Mechaniker seinen kaputten Toaster in die Hand drücken, geht nicht: "Hier musst du Zeit mitbringen", erklärt Werner Birn, Cheforganisator des Altdorfer Repair-Cafés.

Die Idee der Repair-Cafés stammt aus Amsterdam. Die Journalistin Martine Postma hat den ersten dieser Reparaturtreffs 2007 ins Leben gerufen. Zurzeit breitet sich gerade in Deutschland dieser Gegenentwurf zur Wegwerfmentalität schnell aus. Nicht nur die Repair-Café-Kette wächst, auch andere Reparaturtreffs, Seniorenwerkstätten, Werkstattkirchen entstehen.

Nur ein einziger Infoabend

Diesen Trend hat auch Barbara Rehbehn ausgemacht, Geschäftsführerin der gemeinnützigen Gesellschaft für sozial-kulturelle Arbeit (Berlin). Partner bei den Neugründungen seien oft Nachbarschaftshäuser oder Mehrgenerationenhäuser, sagt sie. Sie hätten auch oft die geeigneten Werkstätten und Kreativräume.

Nach nur einem einzigen Infoabend sind aus Altdorf und Umgebung über ein Dutzend Mitarbeiter zum neuen Reparaturtreff gekommen. Eine Frau mit Nähmaschine war auch dabei. Doch es sind vor allem die Männer, die hier ihre Freude am Basteln und Helfen ausleben. Manche sind gesuchte Spezialisten, wie der Schlesier Hubert Kiunke, der Röhrenradios wieder zum Sprechen bringen kann. Seine Devise lautet: "Bevor man etwas wegwirft, sollte man reingucken."

Lore Seifert, deren CD-Player stur behauptet, dass sie keine CD eingelegt habe, denkt auch so. Sie lässt sich mit Reparateur Manfred Hajek an einem Tischchen nieder. Hajek hört nicht zum ersten Mal von einem solchen Fehler: "Wir müssen jetzt erst einmal herausfinden, wo der Sensor ist", erklärt er unaufgeregt. Frau Seifert hat keine CD dabei, mit der man das Gerät testen kann. Nun wird im Kinderhaus erst mal eine gesucht, bevor die Reparatur beginnen kann.

Hohe "Heilungsquote"

In einer anderen Ecke des Cafés hat sich Georg Lenz eines 40 Jahre alten Diaprojektors angenommen. Der zeigt immer und immer wieder das gleiche Lichtbild, transportiert einfach nicht mehr weiter. Von den etwa 20 defekten Geräten, die auf einer langen Bank auf ihre Behandlung warten, hat sich Lenz diesen Apparat ausgesucht. Den Toaster, den Ghettoblaster, mehrere Fernseher, einen Scheinwerfer, eine elektrische Heckenschere hat er zunächst einmal stehenlassen. Dass er sich an dem Projekt die Zähne ausbeißen wird, ahnt er zu Beginn des Nachmittags noch nicht. Der Besitzer hat nach ein paar Stunden wenig Hoffnung, seine alten Lichtbilder wieder betrachten zu können.

Klaus Höxer, für den Empfang und die Statistik zuständig, macht in seine Liste einen Haken in der Rubrik "Reparatur nicht gelungen". An guten Tagen kommen die Bastler auf eine "Heilungsquote" von 62 Prozent. Manche Besucher müssen auch einen Monat später wiederkommen, wenn sie das nötige Ersatzteil besorgt haben.

"Oft sind es nur Kleinigkeiten, die einfach ausgetauscht werden können", stellt Höxer fest, "aber es wird oft viel zu schnell weggeworfen". Sein Lieblingsbeispiel ist ein Staubsauger, den dessen Besitzerin beinahe auf dem Müll geworfen hätte. Seit man aber im Repair-Café den eingesaugten Kiefernzapfen herausgeholt hat, gibt der Sauger wieder alles.