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Syrische Flüchtlinge im Libanon in einem UNHCR-Camp.
Krisenerprobter Karrierediplomat: Das UNHCR bekommt einen neuen Hochkommissar

Inmitten der schlimmsten Vertriebenenkrise seit dem Zweiten Weltkrieg wird Filippo Grandi neuer UN-Hochkommissar für Flüchtlinge. Auf den Italiener wartet eine fast unlösbare Aufgabe.
29.12.2015
epd
Jan Dirk Herbermann (epd)

Genf (epd)Der Job ist einer der schwierigsten auf dem internationalen Parkett und mit viel Frust verbunden: Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge. Anfang Januar übernimmt der Italiener Filippo Grandi (58) das Amt in Genf und leitet damit das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR - inmitten der größten Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Der Karrierediplomat Grandi sei "eine respektierte Führungspersönlichkeit" und werde für das UNHCR von großem Nutzen sein, sagt der scheidende Hochkommissar, der Portugiese António Guterres (66).

51 Millionen Menschen auf der Flucht

Tatsächlich steht der neue Hochkommissar vor einer kaum lösbaren Aufgabe. Die vielen Kriege und Konflikte wie in Syrien, Afghanistan, im Jemen und dem Südsudan treiben Millionen von Menschen in die Flucht. Die Folge: Das 1951 gegründete UNHCR mit seinen 9.300 Mitarbeitern muss immer mehr Menschen schützen und versorgen. Gleichzeitig knausert die internationale Gemeinschaft mit finanziellen Zuwendungen für das UNHCR und die anderen UN-Hilfswerken.

Vor gut einem Jahrzehnt waren rund 37 Millionen Menschen auf der Flucht vor Gewalt, Kriegen und Unterdrückung. Ende 2013 waren es 51 Millionen, zum Jahreswechsel 2015/2016 sind mehr als 60 Millionen. "Die Instabilität weitet sich immer weiter aus, und das Leid wächst", warnt der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Peter Maurer. Dennoch gingen von den 19,9 Milliarden US-Dollar, die 2015 für die humanitäre Nothilfe benötigt wurden, bis Mitte Dezember erst 9,7 Milliarden US-Dollar bei den UN ein. Es ist das größte jemals verzeichnete Minus im UN-Budget zur Unterstützung notleidender Menschen.

Die mangelnde Spendenbereitschaft stößt auch in Regierungskreisen reicher Länder auf Kritik: "Es sind ja keine großen Beträge, an denen Staaten zugrunde gehen", betont der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, Christoph Strässer. Wegen der leeren Kassen müssen zum Beispiel die Essensrationen der Flüchtlinge in den überfüllten UNHCR-Lagern gekürzt werden. Hinzu kommt, dass die Vertriebenen in der Regel nicht arbeiten dürfen und viele Kinder nicht zur Schule gehen können. In den Camps in Afrika und dem Nahen Osten breiten sich Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit aus.

Jahrzehntelange Erfahrung

Die Konsequenz: Immer mehr Flüchtlinge suchen ihr Heil in den reichen Ländern. Im Jahr 2015 erreichten rund eine Million Bootsflüchtlinge die Staaten Europas - mehr als jemals zuvor. Der bisherige Hochkommissar Guterres ist sich sicher: Hätte die internationale Gemeinschaft rechtzeitig mehr Geld für die Versorgung der Flüchtlinge in den Herkunftsregionen bereit gestellt, hätten sich nicht so viele Menschen auf den Weg nach Deutschland und in andere EU-Staaten gemacht. Darüber hinaus warnt Guterres vor einer weiteren Zuspitzung der Flüchtlingskrise. Sollte es nicht schnell gelingen, die Konflikte in Syrien, Libyen und dem Jemen politisch zu lösen, werde die Zahl der Flüchtlinge 2016 weiter steigen.

Der Job des UN-Hochkommissars könnte also noch ungemütlicher werden. Immerhin bringt Grandi jahrzehntelange Erfahrung in der Flüchtlingsarbeit mit - und er erlebte viele Vertriebenenschicksale hautnah. Genau deshalb suchte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon den Italiener als Hochkommissar aus. Grandi war von 2010 bis 2014 Generalkommissar des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge. Er diente als Missionschef des UNHCR in Afghanistan. Das UNHCR entsandte ihn zudem in den Sudan, den Irak, nach Syrien, Kenia, Benin, Ghana, Liberia und in die Demokratische Republik Kongo. "Wenn jemand die ganze Dimension der globalen Flüchtlingskrise erkennt, dann ist es Grandi", sagt ein westlicher Diplomat in Genf. "Ohne die Hilfe der reichen Staaten, kann aber auch er die Krise nicht meistern."