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Fernsehproduktion.
Medienwissenschaftler Leder: Deutsches Fernsehen holt bei Serien auf
Der Medienwissenschaftler Dietrich Leder sieht eine Aufholjagd des deutschen Fernsehens im Bemühen um moderne Qualitätsserien.
30.12.2015
epd
Michael Ridder (epd-Gespräch)

Köln (epd)"Dieser Herbst hat ein Aufbruchssignal gesetzt", sagte der Kölner Professor und Autor dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Blochin" im ZDF, "Deutschland 83" auf RTL oder auch die Ausstrahlung der dritten Staffel von "Weissensee" in der ARD machten Hoffnung auf einen Anschluss an internationale Serienproduktionen. Störend sei allerdings eine Tendenz in der Fernsehkritik, eine Serie vorab hochzujubeln, dann aber mit Verweis auf angeblich schlechte Quoten herunterzuschreiben.

Hinderliche Werbung

"Zwei bis drei Millionen Zuschauer auf RTL beim Start von 'Deutschland 83' sind kein schlechter Wert", sagte Leder. Selbst der niedrige Wert von 900.000 Zuschauern für die letzten Folgen liege über dem, was Pay-TV-Sender und Streamingdienste normalerweise mit Serien erreichten. Der wöchentliche Rhythmus und die Unterbrecherwerbung seien jedoch hinderlich gewesen, da die Serie horizontal - also mit übergreifenden Handlungssträngen und nicht abgeschlossenen Episoden - erzählt sei. Allgemein werde bei der Quotenbetrachtung oft übersehen, dass die neue deutsche Serienbegeisterung im Grunde ein Nischenphänomen sei, "das sich sehr stark innerhalb der schreibenden Zunft abspielt".

"Die neuere US-amerikanische Serienproduktion seit Mitte der 90er Jahre ist zehn Jahre lang von deutschen Sendern und Kritikern fast nicht beachtet worden", kritisierte Leder. Bei der herausragenden Polizeiserie "The Wire" etwa sei das deutsche Fernsehen erst eingestiegen, nachdem die letzte Folge im US-Fernsehen schon gelaufen war. In den USA hätten der Bezahlsender HBO und Streamingdienste wie Netflix viel Geld ausgegeben, um aufwendige Serien zu produzieren. Dies habe zu einem spürbaren Qualitätssprung geführt, der sich in Serien wie "Boardwalk Empire" und "House of Cards" zeige.

Quotenträchtige Krimis

In Deutschland dagegen habe der Sky-Vorläufer Premiere so gut wie keine Eigenproduktionen in Auftrag gegeben, weil der damalige Eigentümer Leo Kirch den Bezahlsender lieber als Abspielkanal für Filme aus seinem Archiv genutzt habe. "ARD und ZDF waren in dieser Phase wie versteinert und haben nur quotenträchtige Krimis und Melodramen produziert, während den Privatsendern das finanzielle Risiko einer teuren Serienproduktion zu groß war", sagte Leder. Aktuell bestehe Hoffnung auf Besserung, allerdings lasse die von ARD und Sky bereits vor Jahren angekündigte Serie "Babylon Berlin" weiter auf sich warten.

Der 1954 geborene Leder ist seit 1994 Professor für Fernsehkultur an der Kunsthochschule für Medien Köln. Seine Lehrgebiete sind Dokumentarfilmpraxis, Mediengeschichte und Fernsehformate. Daneben schreibt er regelmäßig für Fachpublikationen.