epd-bild/Matthias Rietschel
Der traditionsreiche St. Pauli-Friedhof in Dresden wird als Bestattungsort schrittweise aufgegeben.
Dornröschenschlaf über den Gräbern
Der Dresdner St. Pauli-Friedhof
wird langfristig geschlossen
In Dresden muss ein traditionsreicher Friedhof schrittweise schließen. In den nächsten Jahren dürfen nur noch Ehe- und Lebenspartner in vorhandene Familiengräber. Die Kirche baut auf Verständnis und führt viele Gespräche.
28.12.2015
epd
Katharina Rögner (epd)

Dresden (epd)Erinnerung braucht einen Ort. Für viele ist das der traditionelle Friedhof, die Gräber der Verstorbenen, an die Angehörige gehen können. In Dresden wird jetzt erstmals ein Friedhof geschlossen: Der traditionsreiche St. Pauli-Friedhof wird als Bestattungsort schrittweise aufgegeben. Familiengräber können längerfristig nicht mehr benutzt oder müssen auf einen anderen Friedhof umgebettet werden. Ab dem 1. Januar dürfen nur noch Ehe- und Lebenspartner von bereits Beigesetzen bestattet werden. Auf Kinder trifft diese Angehörigenregel schon nicht mehr zu. Die Nutzungsdauer einer Grabstelle für jede einzelne Person liegt bei maximal 20 Jahren.

Veränderungen der Bestattungskultur

Die evangelisch-lutherische Landeskirche ist Betreiber des 1862 geweihten St. Pauli-Friedhofs. Die Schließung sei "eine schwere Entscheidung", räumt der zuständige Superintendent Albrecht Nollau ein. Sie sei "das Gegenteil von dem, was wir tun wollen". Aber die laufenden Kosten zwängen dazu. Sie könnten von der Kirche nicht mehr gestemmt werden. Immer wieder sei eine endgültige Entscheidung aufgeschoben worden, dabei sei sie lange fällig gewesen. "Wir hatten immer die Hoffnung, es wird sich noch mal ändern", sagt Nollau.

Für den Unterhalt des Friedhofs im Dresdner Norden werden nach Angaben des Referenten für Friedhofsangelegenheiten im sächsischen Landeskirchenamt, Holger Enke, jährlich rund 150.000 Euro gebraucht. Nur noch jährlich insgesamt etwa 60 Bestattungen haben zuletzt stattgefunden, davon waren nur rund 20 Prozent Sargbestattungen. Durch die Veränderungen in der Bestattungskultur gingen die Einnahmen spürbar zurück, sagt Nollau. Er könne "die Unterhaltungsgebühr für eine Grabstelle nicht beliebig erhöhen".

Der St. Pauli-Friedhof ist einer der größten in Dresden. Er beherbergt unter anderem auch eine Kriegsgräberstätte und das Sammelgrab für Kinder von ehemaligen Zwangsarbeiterinnen. Die Elbestadt hat 58 Friedhöfe, davon mehr als 40 evangelische. Aktuell verfüge die Stadt über "zu viel Bestattungsflächen", sagt Nollau. Daher würden sich "die Fragen in der Zukunft noch weiter stellen".

Für einige Nutzer geht mit der schrittweisen Schließung des St. Pauli-Friedhofs ein Stück Familientradition zu Ende. Pfarrer Eckehard Möller führt viele Gespräche. Etwa 40 Anfragen von Familien hat er. Die meisten haben Verständnis, aber es gebe auch einige Härtefälle. "Ausnahmen dürfen wir nicht machen", sagt Möller.

Mit vielen Angehörigen sei aber eine individuelle Lösung gefunden worden, zum Beispiel eine Umsetzung der Grabstelle oder Umbettung der Urnen auf den Inneren Neustädter Friedhof. Mit den Nachfahren von Franz Augustin, dem Onkel von Schriftsteller Erich Kästner, "sind wir im Gespräch", sagt Möller. Sie haben auf dem Pauli-Friedhof ein Familiengrab.

Zugänglich bleiben

Die meisten Fragen beziehen sich Möller zufolge auf den Irrtum, dass zum 1. Januar "alle Grabstätten aufgelöst und abgeräumt würden, was definitiv nicht passieren wird". Die Angehörigen könnten weiterhin die Gräber ihrer Verstorbenen besuchen, sagt der evangelisch-lutherische Pfarrer. Die Grabstellen bleiben erhalten, solange das Nutzungsrecht besteht. Dieses gelte für 20 Jahre nach der letzten Bestattung. Danach sei an eine "Art Patenschaft für Grabstellen" gedacht. Der Friedhof wird zugänglich bleiben.

Vergleichbare Fälle einer langfristigen Schließung gibt es laut dem kirchlichen Referenten Enke im sächsischen Plauen. Dort laufe seit Jahren die Nutzung eines evangelischen Friedhofs nach ähnlichem Modell aus. Dagegen ist der Alte Südfriedhof in München - ebenfalls ein historischer Ort - seit vielen Jahren geschlossen. Als kunst- und kulturhistorisches Denkmal blieb er bis heute erhalten.