Vorab: Welcher Beschäftigung gehen Sie nach?
Ich bin Filmvorführerin im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt.
Wieviel Zeit in Prozent verbringen Sie mit Warten bei Ihrer Beschäftigung?
Als Filmvorführerin warte ich vor allen Dingen, wenn ich zwei Filmrollen überblenden muss. Das sind eigentlich nur ein paar Minuten. Die Filme kommen in einzelnen Rollen zu uns. Wir haben dann zwei Projektoren und ich muss überblenden, wenn ich von einer Filmrolle auf die andere wechsle. Für diesen Vorgang gibt es rechts oben im Bild bestimmte Zeichen. Das erste Zeichen zeigt mir an, dass ich den Motor des anderen Projektors anmachen muss. Danach warte ich auf das zweite Zeichen, das mir zeigt, dass ich jetzt von einem auf den Projektor überblenden muss.
Wie oft warten Sie?
Es kommt darauf an, wie oft wir einen 35mm-Film abspielen, aber eigentlich jeden Tag.
Warum muss das so sein?
Letztendlich erfordert die Überblend-Technik beim 35mm-Film mein Warten.
Bei einem Digitalfilm hingegen muss ich nicht in dem Sinne warten. Ein Digitalfilm ist programmiert und ich sehe an der Minutenzahl, wann der Film vorbei ist. Außerdem ist der Film natürlich durchgehend, ich muss also nicht überblenden. In der Vorführzeit kann ich mir die Zeit also selbst einteilen und mich durchaus auch mit anderem beschäftigen.
Wer oder was bestimmt, wie lange Sie warten? Wie begrenzen Sie es?
Der Akt eines 35mm-Films ist auf einer Filmrolle. Manche Kollegen gehen dann schon fünf Minuten vor Ende der Rolle hin und warten auf das Überblendzeichen, andere gehen erst drei Minuten vorher hin. Als Filmvorführerin kann ich dadurch, dass ich die immer kleiner werdende Filmrolle beobachte, natürlich schon ungefähr abschätzen, wann die Rolle zu Ende geht. Und dadurch kann ich auch die Wartezeit auf die Überblendzeichen begrenzen.
"Beim Überblenden warte ich ganz konkret auf etwas und kann währenddessen nichts anderes machen"
Beim Warten: Vertreiben Sie (sich) die Zeit – oder nutzen Sie sie?
Beim Überblenden muss ich mich auf die Zeichen für meinen Einsatz konzentrieren. Da warte ich also ganz konkret auf etwas und kann währenddessen nichts anderes machen. Bei einem Digitalfilm warte ich in dem Sinn nicht auf ein konkretes Ereignis und kann die Zeit auch für andere Dinge nutzen. Ich bereite dann zum Beispiel den Film für die nächste Vorstellung vor.
Kann das Warten schief gehen?
Ja, klar! Es kann passieren, dass ich schaue und schaue und dann merke ich – Mist, ich habe das Zeichen verpasst. Dann ist die Überblendung schief gegangen und auch das Warten darauf. Die Zuschauer sehen in dem Fall ein Stück schwarz, also das Ende von der Rolle. Und ich versuche dann schnellstmöglich zu überblenden.
Welche Eigenschaft ist am wichtigsten, um erfolgreich warten zu können?
Ich möchte am liebsten „Geduld“ sagen. Aber ich denke auch, eine bestimmte Hartnäckigkeit gehört dazu. Warten kann schließlich ganz unterschiedlich sein: Wenn ich auf einen verspäteten Bus warte, muss ich Geduld haben. Aber wenn ich zum Beispiel an etwas arbeite und darauf warte, dass ich damit Erfolg habe, dann muss ich hartnäckig sein, um dranzubleiben und weiterzumachen.
"Etwas muss im Saal vorbereitet werden - und dann müssen die Kinogäste leider warten"
Lassen Sie auch andere warten?
Ja, die Kinogäste. Manchmal können wir nicht rechtzeitig zehn Minuten vor Filmbeginn den Kinosaal öffnen. Vielleicht muss noch der Film getestet oder etwas anderes im Saal vorbereitet werden - und dann müssen die Kinogäste leider warten.
Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach die "Erwartung" beim Warten?
Es kommt darauf an, auf was ich warte. Wenn ich zum Beispiel konkret mit jemandem verabredet bin, dann ist die Erwartungshaltung schon im Warten enthalten. Denn ich sitze dann da und erwarte, dass der andere auch zu unserer Verabredung kommt.
Aber wenn ich zum Beispiel künstlerisch arbeite, habe ich eine ganz andere, schwammigere Erwartungshaltung. Ich erwarte oder hoffe vielmehr, dass andere meine Arbeit gut finden. Und ich habe natürlich auch eine Erwartungshaltung an mich selbst.