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Kinder sind professionell produzierten Videos schutzlos ausgesetzt.
Subversiv und unmenschlich: Jugendmedienschützer warnen vor Verbreitung grausamer Gewaltvideos
Exekutionen mit Popmusik, Comics mit antisemitischen Inhalten, Folterbilder in der Dauerschleife: Die Propaganda des «Islamischen Staats» ist technisch hochprofessionell gestaltet. Jugendschützer warnen vor der Ausbreitung in den sozialen Medien.

Berlin (epd)Deutsche Jugendschützer haben vor einer besorgniserregenden Ausbreitung islamistischer Propagandavideos im Internet gewarnt. Zu beobachten sei die Zunahme von drastischen Gewaltdarstellungen, sagte Stefan Glaser, stellvertretender Leiter von jugendschutz.net am Donnerstag in Berlin. Professionell produzierte Videos würden über soziale Medien gezielt eingesetzt, um bei Kindern und Jugendlichen Wut zu schüren, zum Hass anzustacheln, aber auch um zu verängstigen und zu schockieren.

Wie Musikvideos gestaltet

Propaganda-Videos der Terrororganisation "Islamischer Staat" bedienten sich Symbolen aus der Popkultur, Anleihen aus Computerspielen oder Videoclips, die an Hollywood-Filme erinnerten oder wie Musikvideos gestaltet seien, hieß es. Über solche Mittel könnten rasch viele Nutzer und zehntausende Klicks erreicht werden.

Zwischen 2012 und 2015 registrierten die Jugendmedienschützer von jugendschutz.net insgesamt rund 1.050 Verstöße gegen den Jugendschutz. In 50 Prozent der Fälle habe es sich um Gewaltdarstellungen und Kriegsverherrlichungen gehandelt. In 40 Prozent seien Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet worden. "Das größte Problem ist die Zunahme grausamer Gewaltvideos", sagte Glaser. 2012 waren nur rund fünf Prozent der beanstandeten Fälle drastische Gewaltdarstellungen, 2014 bereits 26 Prozent und 2015 über 50 Prozent.

Menschenverachtende Propaganda

Laut jugendschutz.net kommt dabei vor allem reichweitenstarken Plattformen wie Facebook, YouTube oder Twitter eine Schlüsselrolle zu. Auch neue Dienste wie Sendvid oder Telegram würden bevorzugt von Islamisten genutzt, um menschenverachtende Propaganda zu verbreiten. Glaser forderte die Betreiber auf, nicht nur auf Hinweise hin Hassvideos zu löschen. Die Anbieter müssten von sich aus aktiv werden, um die Verbreitung solcher Inhalte etwa mit technischen Mitteln zu verhindern.

Als Zielgruppe der Videos vermutet jugendschutz.net junge Muslime, die nach einem Sinn im Leben suchen. Anhand des Teilens und Likens von grausamen Propagandavideos auf Facebook sei aber zu erkennen, dass sich die Zielgruppen vermischen, sagte Glaser. Islamistische Inhalte könnten so auch gemäßigtere Kreise erreichen.

Technisch versierte Szene

Glaser wies auch darauf hin, dass Propaganda- und Hassvideos des "Islamischen Staats" (IS) deutlich professioneller gestaltet seien als etwa Propagandavideos von Rechtsextremisten, die ebenfalls von Jugendmedienschützern beobachtet werden. "Wir haben es mit einer technisch höchst versierten Szene zu tun", sagte der Jugendschutz-Experte. Technische Neuerungen auf Facebook, Google, Twitter und Co. würden vom IS rasch adaptiert. Für die Prävention vor Gewaltpropaganda müssten Pädagogen in allen Bildungsbereichen wissen, welche Rolle das Internet für Radikalisierungen spielt.

Nach Einschätzung der Leiterin des Fachbereichs Extremismus der Bundeszentrale für politische Bildung, Hanne Wurzel, gab es lange Zeit große Wissensdefizite über die Online-Strategien des IS. "Das Internet ist das zentrale Medium für den Islamismus", erklärte die Extremismusexpertin. Für eine Prävention seien neue Formate der politische Bildung nötig. Als Beispiel nannte Wurzel Webvideos der Bundeszentrale, die Jugendliche über wichtige Begriffe der aktuellen Diskussionen um den Islam informieren.