Berlin (epd)Angesichts stark gestiegener Ausgaben für das Krankengeld haben Sachverständige die Einführung eines Teilkrankengeldes angeregt. Das ermögliche erkrankten Arbeitnehmern, entsprechend ihrem Gesundheitszustand in Teilen weiter ihrer Arbeit nachzugehen, wenn es sinnvoll sei, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Ferdinand Gerlach, am Montag in Berlin. Das Gremium stellte Empfehlungen zur Zukunft des Krankengelds vor, das Versicherte nach sechs Wochen Krankschreibung als Ausgleich für Gehalt oder Lohn von der Kasse bekommen.
Teilkrankschreibung und Teilkrankengeld gebe es bereits in skandinavischen Ländern, erläuterte Gerlach. Bislang gibt es für Langzeiterkrankte in Deutschland nach frühestens sechs Wochen die Möglichkeit eines stufenweisen Jobeinstiegs über das sogenannte Hamburger Modell. Davor gelte die Regel "entweder 100 Prozent krank oder 100 Prozent arbeitsfähig", sagte Gerlach. Die Teilregelung solle dagegen bereits vom ersten Krankheitstag an gelten und ermögliche damit mehr Flexibilität, erläuterte Gerlach.
Kassen könnten sparen
Die Kassen könnten nach dem Vorschlag auch sparen, weil anders als im Hamburger Modell nicht sie allein für den Lohnersatz beansprucht werden sollen, sondern auch der Arbeitgeber in der Höhe des Arbeitseinsatzes ein reduziertes Gehalt weiter zahlen soll. Arbeitet ein teilkrankgeschriebener Mitarbeiter beispielweise 50 Prozent, soll der Arbeitgeber entsprechend die Hälfte des Entgelts zahlen.
Die Kosten für das Krankengeld sind den Sachverständigen zufolge seit dem Jahr 2006 stark von damals 5,7 auf 10,6 Milliarden Euro im Jahr 2014 gestiegen. 10,4 Milliarden Euro davon und damit der ganz überwiegende Teil entfiel auf die Zahlung von Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit, der Rest auf das Kinderkrankengeld.
Gründe für den Kostenanstieg beim Krankengeld sind unter anderem die höhere Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter und die höheren durchschnittlichen Einkommen, mit denen auch das Krankengeld steigt. Es beträgt 70 Prozent des Bruttogehalts. Im Zuge der Anhebung des Rentenalters wirkt sich auch die höhere Zahl älterer Arbeitnehmer auf die Krankengeld-Kosten aus.
Lange Wartezeiten bei psychischen Erkrankungen
Neben dem Vorschlag für ein "Teil-Krank-Sein" fordert der Sachverständigenrat Maßnahmen zur schnelleren Versorgung vor allem psychisch Kranker, die oft lange auf einen Therapie-Termin warten müssen. Die Experten schlagen außerdem vor, das Krankengeld zu streichen, wenn Versicherte der Aufforderung der Kasse, eine Alters- oder Erwerbsminderungsrente zu beantragen, nicht nachkommen, auch wenn die Voraussetzungen dafür bestehen. Bislang ist das nur möglich, wenn Reha-Leistungen nicht beantragt werden.
Gerlach sagte, es gehe nicht darum, Kranke in die Rente zu drängen. Die Vorschläge des Sachverständigenrats zielten nicht vorrangig auf Einsparmöglichkeiten, immerhin sei das Krankengeld keine sozialpolitische Wohltat, sondern ein Anrecht.
Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmenk warnte, die Empfehlungen dürften nicht dazu führen, dass auf Patienten mehr Druck ausgeübt werde. Sie forderte vielmehr, den Fokus auf die langen Wartezeiten bei psychischen Erkrankungen zu lenken, die mit Schuld an langen Ausfällen und damit Krankengeld-Zahlungen sind.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), der das von seinem Haus beauftragte Gutachten am Montag in Empfang nahm, kommentierte die Vorschläge zunächst zurückhaltend. Das Gutachten gebe wichtige Anstöße und sei eine gute Diskussionsgrundlage, sagte er. Die konkreten Vorschläge - beispielweise zum Teilkrankengeld - bewertete er zunächst nicht.