Im "Tatort", so der katholische Theologe, geht es wie in der Bibel seit jeher um große Themen wie Liebe, Gewissen, Gerechtigkeit, Schuld und Tod. Und nicht nur das: Manche Ermittler wie Horst Schimanski oder Lena Odenthal erinnern den Gottesmann an biblische Gestalten wie den bärenstarken Simson oder den Propheten Elija. Jetzt hat der 37-jährige Theologe, der im Internet regelmäßig über den "Tatort" twittert, ein Büchlein geschrieben, in dem er die von ihm beobachteten Zusammenhängen zwischen der ARD-Krimireihe und dem christlichen Glauben erklärt.
"Ich könnte mir vorstellen, dass Jesus ein guter Drehbuchautor für den 'Tatort' wäre", schreibt Maurus Runge in seinem Buch. "Er würde das machen, was ein guter Autor macht: wahrnehmen, was die Menschen bewegt, wie sie leben, um dann Geschichten aus diesem Leben zu erzählen. Keine Siegergeschichten, sondern gerade Geschichten, die das Leid der Menschen ernstnehmen." Da es im "Tatort" praktisch immer um eine schreckliche Verfehlung und ihre furchtbaren Folgen geht, und weil die Krimireihe häufig tragische und nicht selten gewalttätige Geschichten von verzweifelten Verlierern, sündhaften Tätern und ihren hilflosen Opfern erzählt, liegen die Parallelen zu den lebensprallen Stoffen und Motiven aus dem Alten und Neuen Testament natürlich auf der Hand, wie Runge anhand zahlreicher Beispiele zeigt. So macht er sich anhand einer Kölner "Tatort"-Folge mit den TV-Stars Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt, in der die Inhaberin einer Onlinedating-Agentur ermordet wird, Gedanken über die die Bedeutung von Liebe, dem Kern der christlichen Botschaft.
Eine Episode mit den Stuttgarter Ermittlern Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) erinnert ihn an ein Gleichnis aus dem Lukas-Evangelium, in dem es um Freundschaft und Gewissen geht. Eine andere Folge mit Maria Furtwängler als Kommissarin Lindholm, die gegen einen selbstherrlichen Fleischfabrikanten ermittelt, hat den Benediktinermönch zu einem Kapitel angeregt, das er mit "Hirt und Herde" überschrieben hat – und die berühmte Imbissbude, an der die Kölner Kommissare Ballauf und Schenk schon nach so manchem geklärten Fall ihre Bratwurst verdrückt haben, wird für Maurus Runge zum "Symbol der guten Schöpfung". "Für mich ist die Imbissbude ein Symbol dafür, dass es letztlich doch gut ausgeht, dass bei allen Verstrickungen, in die der ‚Tatort‘ und das Leben mich immer wieder führen, am Ende die Gerechtigkeit siegt und der Böse nicht über den Guten triumphiert", schreibt der Theologe.
Die Krimireihe bietet dem Gottesmann aber nicht nur inhaltlich zahlreiche Parallelen und Bezugspunkte zur Bibel. Der "Tatort" ist für ihn auch aus einem anderen Grunde hochinteressant, denn Runge begreift ihn als Ritual, als regelrechtes "Fernseh-Hochamt", das Sonntag für Sonntag von Millionen Fernsehzuschauern gefeiert wird. Die Tatsache, dass sich viele Menschen sonntags lieber den "Tatort" anschauen als etwa in den Gottesdienst zu gehen, begreift der Mönch auch als Auftrag an die Kirche, sich darüber Gedanken zu machen, ob und wie sie die Leute mit ihren eigenen Ritualen noch erreichen kann.