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Lena (Frida Hallgren) organisiert in "Wie auf Erden" ein Chorevent zur Wiedereröffnung der restaurierten Dorfkirche.
Jesus braucht keine Kirchenbänke
Vor zehn Jahren hat Kay Pollak mit «Wie im Himmel» das Publikum zu Tränen gerührt. Jetzt wird die gefühlvolle Geschichte um einen Kirchenchor in Schweden fortgesetzt. Man probt für Händels «Halleluja» - und alle dürfen mitmachen.
01.12.2015
epd
Arnd Brummer (epd)

Frankfurt a.M. (epd)"Wie im Himmel" durfte sich Kay Pollak vor zehn Jahren fühlen, als sein Film mit diesem Titel zum europaweiten Kinohit und obendrein in der Kategorie "Bester fremdsprachiger Film" für den Oscar nominiert wurde. Nun erzählt der schwedische Regisseur die Geschichte des Dorfkirchenchors im hohen Norden weiter. "Wie auf Erden" heißt das neue Werk und bleibt nicht nur mit der vom "Vater unser" gesteuerten Logik in der Spur des Erstlings.

In "Wie im Himmel" wollte der weltberühmte Dirigent Daniel Daréus eigentlich einem Burn-out entfliehen. Inkognito nistete er sich in seinem nordschwedischen Heimatdorf ein, wollte dem Nichtstun frönen und übernahm schließlich doch den örtlichen Kirchenchor. Daniel lässt das Amateurensemble, in dem sich die Intrigen und Konflikte des Dorfes spiegeln, im wahrsten Sinne des Wortes aufbrechen. Er selbst und seine Chorleute begreifen, wie man Angst und Misstrauen besiegen, einander lieben und aus vollem Herzen miteinander musizieren kann.

Zwischen Angst und Lebensfreude

Als Daniel am Ende des Filmes stirbt, hinterlässt er seine letzte Liebe, die schwangere Lena, eine junge Supermarkt-Kassenfrau, deren Musikalität und Lebensfreude ihm aus dem Psychotief geholfen hatten. Und diese Lena wird nun zur Hauptfigur von "Wie auf Erden".

Das Kind vom toten Daniel erwartend, erleidet Lena nach einem Folk-Konzert, bei dem sie gesungen hat, eine Frühgeburt. Ausgerechnet der inzwischen zum Alkoholiker gewordene alte Pfarrer Stig leistet ihr nachts Geburtshilfe. Und er kommt am Morgen danach auf die Idee, Lena mit der Aufführung von Händels "Halleluja" zur Wiedereröffnung der restaurierten Dorfkirche zu beauftragen.

Lena-Darstellerin Frida Hallgren spielt in "Wie auf Erden" in allen Registern, komödiantisch wie dramatisch, auf Topniveau. Zwischen Angst und tiefer Melancholie in dunklen Nächten, andererseits voller Energie und Lebensfreude im Umgang mit ihrer neuen Aufgabe wächst einem ihre Lena ans Herz.

Das ganze Leben in zwei Stunden

Im Drehbuch, das Pollak erneut mit Ehefrau Carin geschrieben hat, geraten die Kirchenfunktionäre wegen Lenas Beauftragung in Rage. Der Kirchenvorstand will den Pfarrer absägen. Der Bezirkskantor, ausgebildeter Chorleiter, schimpft: Wie kann man einer Amateurin einen solchen Job geben, wenn das Fernsehen sich für die Feier angekündigt hat? In den zwei Stunden Handlung prasselt das ganze Leben aufs Publikum ein - vom Tod durch Ertrinken bis zur Megafete in der erneuerten Kirche und dem Zusammentreffen von Lena mit Axel, ihrer neuen Liebe. Fast ein bisschen viel auf einmal.

Beginnen lässt Pollak die Story in kalten, endlosen nordschwedischen Winternächten. Und es endet im skandinavischen Sommer, in dem mehr als zwanzig Stunden täglich die Sonne scheint. Auch das wirkt ein wenig zu symbolhaft. Schön ist aber die Szene, in der der Konflikt zwischen Lena und den Offiziellen eskaliert. Lenas Aufruf an alle, die ein wenig singen, trompeten oder trommeln können, doch bitte mitzumachen, folgen mehr als hundert Leute. Die Kirche, sonst gähnend leer - Pfarrer Stig bezahlt Gläubige für ihren Gottesdienstbesuch, damit er nicht allein bleibt - ist rammelvoll. Und Lena entscheidet spontan: Die Kirchenbänke müssen raus. "Das geht nicht an diesem heiligen Ort", faucht die Pfarrsekretärin. Lena kontert: "Jesus brauchte keine Kirchenbänke!"

Wer "Wie im Himmel" kennt und mag, wird auch in "Wie auf Erden" Spaß haben. Doch wie so oft bei Folgeprojekten werden Erstsehende Geduld brauchen, um in Ort und Handlung zu finden. Ist man aber drin, wird einen mit großer Wahrscheinlichkeit die propagierte Idee erfassen: Gemeinschaft entsteht dort, wo sich jede und jeder mit seinen Qualitäten einbringen darf. Dass "Wie auf Erden" in der Adventszeit in die deutschen Kinos kommt, ist kein schlecht gewählter Zeitpunkt: die Sehnsucht nach Licht in der dunklen Dezemberwelt.