Gütersloh (epd)Die Ausbildungsbetriebe in Deutschland plagen Nachwuchssorgen. Die Zahl der Bewerber um einen Ausbildungsplatz ist zwischen 2007 und 2013 bundesweit um ein Fünftel von 756.000 auf 613.000 (19 Prozent) gesunken, wie die Bertelsmann Stiftung am Montag in Gütersloh mitteilte. Damit hat sich laut dem "Ländermonitor berufliche Bildung" die rechnerische Chance für die einzelnen Bewerber erhöht. Doch erhalten Hauptschüler und Ausländer im Vergleich zu deutschen Jugendlichen mit höheren Schulabschlüssen nach wie vor seltener eine Lehrstelle. Nur jeder zweite Hauptschüler (51 Prozent) geht nach dem Schulabschluss direkt in eine Ausbildung. Das ist nur eine geringfügig höherer Quote als vor zehn Jahren (48 Prozent).
Für den Ländermonitor verglich ein wissenschaftliches Team der Universität Göttingen und des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung in Frankfurt am Main erstmals die Ausbildungssysteme in den 16 Bundesländern für die Jahre 2007 bis 2013. Vor allem die Ausbildungsbetriebe in Ostdeutschland leiden unter dem Nachwuchsmangel. Dort hat sich laut Studie die Zahl der Interessenten an einer Lehrstelle seit 2007 nahezu halbiert (minus 47 Prozent). In Westdeutschland wird ein Minus von 13 Prozent verzeichnet. Die meisten Azubis fehlen in den Reinigungsberufen, im Gastgewerbe und in der Lebensmittelverarbeitung.
Immer weniger Ausbildungsplätze
Gleichzeitig bilden Betriebe immer weniger aus. So sank die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze bundesweit um 13 Prozent von 644.000 auf 563.000. Immer mehr Klein- und Kleinstbetriebe mit weniger als 50 Beschäftigten zögen sich aus der dualen Ausbildung zurück, hieß es.
Besonders schlecht sind die Perspektiven für Hauptschüler ohne deutschen Pass. Nur 37 Prozent von ihnen finden demnach eine Lehrstelle, deutlich weniger als deutsche Hauptschüler (54 Prozent). Für Jugendliche ohne Lehrstelle bleibt die Möglichkeit, teilweise Schulabschlüsse nachzuholen oder zu verbessern. Sie erwerben in dem sogenannten Übergangssystem jedoch keine Berufsabschlüsse. Obwohl viele Betriebe über Probleme bei der Besetzung von Lehrstellen klagen, erhalten Hauptschulabsolventen nach wie vor seltener eine Chance im Vergleich zu Jugendlichen mit höheren Schulabschlüssen. Dabei gibt es ein Gefälle von Süd- nach Norddeutschland: So können in Bayern fast drei Viertel der Hauptschüler (71 Prozent) direkt eine Ausbildung beginnen, in Schleswig-Holstein lediglich 37 Prozent.
Der Vorstand der Bertelsmann Stiftung, Jörg Dräger, mahnte Reformen an. Die Zahl der Lehrstellen-Bewerber werde durch den demografisch bedingten Rückgang der Schülerzahl bei gleichzeitigem Trend zur Akademisierung weiter zurückgehen, warnte er. Eine bessere Berufsorientierung in den Schulen, eine intensivere Betreuung der Betriebe sowie eine Flexibilisierung der Ausbildungsgänge könnten Jugendlichen mit schwächeren Schulabschlüssen und Flüchtlingen größere Chancen eröffnen. Auch plädierte Dräger für eine staatliche Ausbildungsgarantie.