TV-Tipp: "Tatort: Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes" (ARD)
29.11., ARD, 20.15 Uhr: "Tatort: Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes"
Was für eine großartige Idee! Und was für ein beängstigend guter Film! Erstmals in der ehrwürdigen "Tatort"-Geschichte treibt ein Mörder nach mehreren Jahren erneut sein Unwesen.

Schon 2012 hatte der NDR wenn schon nicht für ein Novum, so doch zumindest für eine Ausnahme gesorgt, als der Täter in dem Film "Borowski und der stille Gast" am Ende entkommen konnte. Alle Beteiligten versichern, damals keineswegs bereits an eine Rückkehr des düsteren Kai Korthals gedacht zu haben. Aber nun ist er wieder da, der Frauenmörder, der anscheinend durch die Wand kommt, weil kein Schloss und kein Riegel ihn aufhalten können.

Das Drehbuch stammt wie damals von Grimme-Preisträger Sascha Arango. Der Schöpfer der wunderbaren Sat.1-Krimireihe "Blond: Eva Blond!" hat sich gleich noch ein zweites Comeback einfallen lassen: Auch Kriminalpsychologin Frieda Jung (Maren Eggert), viele Jahre lang die Frau an Borowskis Seite, ist wieder da; die beiden suchen eine gemeinsame Wohnung. Aus Zuschauersicht endete die Beziehung der beiden vor fünf Jahren mit Eggerts letzter Episode "Tango für Borowski"; ihre Rolle als weiblicher Widerpart zum kontrollierten Kieler Kommissar übernahm ein Jahr später Sibel Kekilli als Sarah Brandt, bei der die Begegnung mit Korthals ein veritables Trauma hinterließ. Deshalb ahnt die junge Kollegin auch umgehend, were dahinter steckt, als eine psychisch gestörte junge Frau in einer Tiefkühltruhe am Strand ausgesetzt wird; später stirbt sie an den Folgen eines dilettantisch durchgeführten Kaiserschnitts. Sie sagt, der Mann, der ihr dies angetan habe, sei durch die Wand gekommen.

Diesen stillen Killer, der schon bei seinem ersten Auftritt beteuerte, er sei kein schlechter Mensch, spielt selbstredend erneut Lars Eidinger, und er macht das nicht minder famos als damals, zumal sich Korthals verändert hat. Die große Kunst dieses famosen Schauspielers besteht darin, das Ungeheuer der offenkundigen Bedrohlichkeit zum Trotz sympathisch wirken zu lassen. Eine Gefahr für die Menschheit ist Korthals aber selbstredend immer noch, in diesem Fall ganz konkret für Frieda Jung: Als die Polizei das Baby in Sicherheit bringt, entführt er die Psychologin, um Borowski zu einem Tausch zu zwingen. Folgerichtig spitzt sich die Handlung mehr und mehr zu einem Zweikampf zwischen den beiden Männern zu. Die wachsende Verzweiflung des Kommissars hat zur Folge, dass er sich auf einen Pakt mit dem Teufel einlassen muss. Aber Freiheit, stellt sein Freund und Chef (Thomas Kügler) gleich zu Beginn fest, ist ohnehin eine Illusion.

Von Anfang an ein Thriller

Arango erzählt diese in ihren Grundzügen eigentlich simple Geschichte auf eine raffinierte Weise, die sämtliche Figuren an ihre Grenzen bringt; das macht diesen "Tatort" natürlich erst recht reizvoll. Vor allem aber konstruiert er die Handlung von Anfang an als Thriller, in dem nicht nur Borowski und Korthals, sondern auch Brandt als Dritte im Bunde miteinander Katz’ und Maus spielen; und selbstredend halten sich alle drei für die Katze. Davon abgesehen hat der Autor ein Drehbuch geschrieben, dessen Details mitunter an Perfidie grenzen: Endlich hat Frieda Jung die Tür zu ihrem Gefängnis aufgebrochen, doch dahinter befindet sich bloß eine Backsteinmauer. Allein der Mechanismus, mit dem Korthals das Versteck der von ihm entführten Frauen schützt, ist von brillanter Raffinesse.

Da der Regisseur des ersten Films, Christian Alvart, seit geraumer Zeit mit den diversen Til-Schweiger-Krimis beschäftigt ist, hat Claudia Garde die Fortsetzung inszeniert. Auch ihr ist ein Werk mit ganz spezieller Atmosphäre gelungen; dank des zunehmend kammerspielartige Züge annehmenden Zweikampfs zwischen dem Killer und dem Kommissar ist "Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes" ein völlig anderer Film geworden. Schon die ersten Sequenzen werden in Zuschauern, die sonntags die Komödien aus Münster oder die beschaulichen Bodensee-Krimis bevorzugen, umgehende Fluchtimpulse wecken. Mehr noch als die Bildgestaltung (Philipp Peschlow) sorgt die Bearbeitung der Tonspur dafür, dass das Grauen in dieser Geschichte ständig gegenwärtig ist. Spätestens ab der Entführung wird der Film zu einem Thriller von beklemmender Intensität, der seine Spannung zum Finale nochmals steigert.