was sie essen wollen
Ede (epd)Jedes Mal blinkt ein Lämpchen am Telefon auf. Zwischen zwölf und zwei Uhr am Nachmittag ist es am geschäftigsten im Kellerraum neben der Küche. Nur das Klicken und Tippen und die gedämpften Stimmen der Mitarbeiterinnen sind zu hören. Sie sitzen mit Kopfhörern hinter Stellwänden, tippen konzentriert die Wünsche für Vorspeise, Hauptgericht und Nachtisch in den Computer.
Mehr Flexibilität
In der Küche im Nebenraum kommen die Bestellungen an. Fleisch wird angebraten, Gemüse gekocht, Salat angerichtet. 45 Minuten später muss das Menü aufs Zimmer geliefert sein - das verspricht zumindest das Krankenhaus "Gelderse Vallei" in der niederländischen Stadt Ede.
Essen à la carte im Krankenhaus: Patienten bestimmen selbst, wann und was sie essen wollen. Bisher wurde das Essen von den Krankenschwestern verteilt. Wer gerade Besuch oder keinen Appetit hatte oder untersucht werden musste, aß die Mahlzeit kalt oder warf sie weg. Das neue Bestellkonzept ermöglicht nun mehr Flexibilität. Dadurch werden weniger Lebensmittel weggeworfen - das Krankenhaus spart Geld.
"Wir wenden exakt das Prinzip eines Hotels an", sagt Hans Borghuis, Verkaufsmanager beim Konzern "Sodexo" in den Niederlanden. Das internationale Unternehmen hat das Konzept entwickelt, stellt die Software zur Verfügung und schult die Mitarbeiter. Das Krankenhaus in Ede ist die erste Klinik in Europa, die das Konzept im November 2012 eingeführt hat.
Eigene Karte für Kinder
Auf jedem Zimmer liegen Menükarten aus. Patienten wählen die Telefonnummer und geben ihre Wünsche durch. Dutzende Vorspeisen, Gerichte, Beilagen und Desserts stehen ihnen zur Wahl. Kinder bekommen eine eigene Karte. Die Telefonisten geben Ernährungstipps, besonders für Patienten mit Allergien und Unverträglichkeiten. Sie sehen bei einem Anruf die persönlichen Daten. Bestimmte Gerichte sind dann im Computer rot markiert und können nicht gewählt werden.
In der Küche nebenan werden die Mahlzeiten zubereitet. Damit es schneller geht, sind Kartoffeln vorgekocht; das meiste wird jedoch frisch zubereitet. Die Küchenmitarbeiter stellen jede Bestellung einzeln zusammen und schieben das Tablett in einen der Rollwagen, wie ihn auch Flugzeug-Crews verwenden. Computer haben bereits die Reihenfolge der Auslieferung berechnet, um weite Laufwege zu vermeiden. Innerhalb einer dreiviertel Stunde bringt ein Krankenhaus-Kellner das Menü aufs Zimmer.
Das Versorgungskonzept ist komplexer, aber nicht teurer als herkömmliches Catering, sagt "Sodexo"-Manager Borghuis. Früher landeten rund 30 Prozent der Lebensmittel im Krankenhaus in Ede auf dem Müll. Seit der Einführung des Konzepts "At Your Request" sind es nur noch fünf Prozent. Laut einer Studie der Universität Wageningen werfen die Kliniken landesweit Lebensmittel im Wert von zehn Millionen Euro pro Jahr weg.
Möglicherweise schnellere Genesung
"Eine bessere Abstimmung zwischen Nachfrage und Angebot ist eine wichtige Lösung", sagt Joost Snels, der zum Thema Lebensmittelverschwendung in Pflege-Einrichtungen forscht. Das Krankenhaus "Gelderse Vallei" sei ein Beispiel dafür: Mahlzeiten würden nicht mehr "auf Prognose" zubereitet, sondern "auf Bestellung".
Etwa 1,5 Prozent des Budgets geben Krankenhäuser für Catering aus. Bisher sei bei den großen Posten deshalb vor allem auf die Pflege geschaut worden, sagt Snels. Einrichtungen wollten mehr Effizienz bei medizinischen Geräten, Medikamenten oder der Aufenthaltsdauer. Das ändere sich gerade, merkt Snels. "Krankenhäuser achten jetzt auf Ernährung als Teil ihres Service-Konzepts." Durch ein effizienteres Konzept könnten Krankenhäuser der Studie zufolge jährlich bis zu 150.000 Euro einsparen.
Essen à la carte im Krankenhaus könnte noch einen anderen Effekt haben: "Patienten ernähren sich abwechslungsreicher und essen mehr, wenn sie bekommen, was sie wollen", sagt Manager Borghuis. Dadurch genesen sie möglicherweise schneller. Seit das Menü-Konzept 2012 in Ede eingeführt wurde, sinkt die Aufenthaltsdauer. Ob es einen Zusammenhang zum Bestellkonzept gibt, wird noch untersucht.