Die Attentate von Paris haben am Wochenende die Nachrichtenseiten beherrscht. So überraschte es nicht, dass auch Günther Jauch mit seinen Gästen über den Terror in der französischen Hauptstadt sprechen wollte. Doch worüber soll man diskutieren, wenn die Menschen gut 48 Stunden später noch unter Schock stehen? Welche Fragen soll man stellen, wenn das meiste noch Spekulation und das wenigste Gewissheit ist? Schon der Titel der Sendung zeigte, dass Jauch hier wenig Feingefühl bewies.
Hatte Plasberg am Abend zuvor in einer "hart aber fair“-Sondersendung noch die Frage gestellt, "was die Angst mit Europa macht“, wollte Jauch dem Sendungstitel nach wissen, was "unsere Antwort“ auf den Terror von Paris ist.
Bevor es um diese Frage ging, führte Jauch ein Gespräch mit einem Ehepaar aus Köln, das die Angriffe der Terroristen im Club Bataclan überlebt hatte. Beide sprachen über ihre Todesangst und erzählten, wie sie sich mit etwa 30 anderen Menschen in einem Raum verbarrikadiert haben. "Wollten sich noch mehr Menschen in den Raum retten?“, erkundigte sich Jauch mehrfach. Wollte der Moderator wissen, ob die Menschen, die sich in Sicherheit gebracht hatten, andere vielleicht ausgeschlossen hatten und ihnen so den Schutz nahmen? So klang es jedenfalls.
Das war der Anfang der kritikwürdigen Jauchfragen. Nach gut zehn Minuten wechselten die Gesprächspartner. Nun diskutierte Jauch mit Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, sowie mit den Journalisten Ulrich Wickert, Georg Mascolo und Jaafar Abdul Karim. Mit spekulativen Fragen versuchte der Moderator, seine Gäste aus der Reserve zu locken und scheiterte damit: "Was weiß man über mögliche geflüchtete Täter?" – Man muss vorsichtig sein, weil man am Anfang der Ermittlungen stehe, sagte Mascolo. "Wie konnten sich acht Attentäter absprechen, ohne dass man davon etwas mitbekommt?" – Das müsse jetzt analysiert werden, erklärte von der Leyen. "Gibt es einen Zusammenhang der Rosenheimer Festnahme zu den Taten in Paris?" – Auch da müsse man vorsichtig sein, warnte Mascolo erneut.
"Es ist politisch unfair, aus Opfern Täter zu machen"
Als Jauch nach einem Attentäter fragte, der angeblich einen syrischen Pass haben soll, reagierten die Gäste noch abwehrender. "Der Pass soll gefälscht gewesen sein“, sagte der frühere Nachrichtenmann Wickert. "Es kann gut sein, dass es eine falsche Fährte gibt. Dafür spricht im Augenblick mehr“, ergänzte die Verteidigungsministerin. Und Martin Schulz erklärte: "Alle Sicherheitsexperten sagen, dass es eher ungewöhnlich ist, dass sich Attentäter unter Flüchtlinge mischen.“
Doch damit war für Jauch die Brücke geschlagen und er fragte nach der Verbindung der Anschläge zu den Flüchtlingen: Sollten die Attentäter über die Flüchtlingsrouten kommen, ändert sich dann nicht auch der Blick auf die Flüchtlinge? Muss Deutschland ein härteres Gesicht zeigen? Am Ende verwies Jauch noch auf Polen, die nach den Anschlägen ankündigten, keine Flüchtlinge mehr aufnehmen zu wollen. "Klarer kann man das nicht verknüpfen“, kommentierte Jauch. "Die Menschen, die aus Syrien fliehen und zu uns kommen, fliehen genau vor den Leuten, die das Massaker veranstaltet haben. Es ist politisch nicht fair aus Opfern Täter zu machen. Das dürfen wir nicht zulassen“, warnte Schulz.
Ulrich Wickert erinnerte daran, dass bei allen Anschlägen bisher – der geplanten Attacke im Thalis, dem Angriff aufs jüdische Museum in Belgien usw. – Franzosen die Täter waren und niemals Flüchtlinge. Radikalisiert hätten sie sich in Syrien. "Aber die kommen mit ihrem Pass und im Flugzeug zurück. Die brauchen keinen Weg über eine griechische Insel“, erklärte er. Ursula von der Leyen betonte zwar, dass es in Ordnung sei, die Grenzen zu schützen. "Zu kontrollieren wer kommt und warum ist das legitime Recht der Europäer. Aber wir können nicht die Flüchtlinge zum Sündenbock machen.“ Und auch Mascolo widersprach: "Wir importieren keinen Terrorismus.“ Viel mehr sei es umgekehrt, denn inzwischen hätten sich tausende Menschen mit europäischem Pass dem selbsternannten Islamischen Staat angeschlossen und kämpften in Syrien oder dem Irak gegen die Menschen dort.
Die Vernunft und die Besonnenheit lag bei der Diskussion vor allem bei den Gästen. Für eine Sendung, die mehr harte Fakten bringen will, scheint es in diesem Kontext zu früh. Wer aber, wie Jauch, unreflektiert und ohne Grund die terroristischen Anschläge in Paris mit der Flüchtlingswelle verknüpft, könnte die Stimmung bei Pegida & Co. weiter anheizen. Natürlich müssen die Hintergründe der Pariser-Attentäter untersucht werden. Bevor es Ergebnisse gibt, sollte man sich jedoch nicht in Spekulationen verlieren. Bislang gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Terroristen als Flüchtlinge kamen und vieles spricht gegen die Theorie. Unbestritten ist hingegen, dass ein großer Teil der Flüchtlinge, die Europa erreichen, vor eben jenem Terror flieht.