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Über eine Neuregelung der Sterbehilfe debattieren und entscheiden die Abgeordneten des Bundestags.
Bundestag berät abschließend über Sterbehilfe
Gegner und Befürworter liefern sich emotionalen Schlagabtausch
Der Bundestag stimmt über eine Neuregelung der Hilfe beim Suizid ab. Jeder Abgeordnete votiert nach seinem Gewissen. Die abschließende Debatte machte nochmals deutlich, wie weit die Meinungen dabei auseinandergehen.

Berlin (epd)Vor der Abstimmung über ein neues Gesetz zur Suizidhilfe haben Sterbehilfegegner und -befürworter im Bundestag ein letztes Mal intensiv für ihre Positionen geworben. In einer emotionalen Debatte forderte der CDU-Abgeordnete Michael Brand ein Verbot organisierter Sterbehilfe. "Heute ist der Gesetzgeber aufgerufen, den Missbrauch zu stoppen", sagte er am Freitag im Parlament mit Blick auf die umstrittenen Sterbehilfe-Organisationen. Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU) warb dagegen für seinen Vorschlag, Ärzten die Suizidbeihilfe zu erlauben. "Leiden im Sterben ist sinnlos. Kein Mensch muss einen Qualtod hinnehmen", sagte er in Berlin.

Dem Bundestag liegen vier Gesetzentwürfe vor, die von einem kompletten Verbot der Suizidbeihilfe bis zu einer ausdrücklichen Erlaubnis für Ärzte und Organisationen reichen. Die meisten Unterstützer hatte vor der Debatte der Antrag von Brand und seiner Parlamentskollegin Kerstin Griese (SPD), die eine auf Wiederholung angelegte Hilfe beim Suizid unter Strafe stellen wollen. Der Ausgang der Abstimmung ist jedoch völlig offen.

"Selbstbestimmung Kern der Menschenwürde"

Hintze argumentierte mit der Selbstbestimmung todkranker Menschen. "Der Kern der Menschenwürde ist die Selbstbestimmung", sagte Hintze: "In der größten existenziellen Not eines Menschen sollte sich der Staat zurückhalten."

Intensiv warb auch Renate Künast (Grüne) für ihren Vorschlag, der nicht nur Suizidbeihilfe durch Ärzte, sondern auch durch Organisationen ausdrücklich legalisieren will. Wenn Ärzte Strafe für eine auf Wiederholung angelegte Suizidbeihilfe fürchten müssten, sei ein offenes und ehrliches Gespräch für den Patienten nicht mehr möglich, sagte sie.

Brand und Griese wiesen erneut den Vorwurf zurück, ihr Gesetz würde Ärzte kriminalisieren. Gewissensentscheidungen im Einzellfall seien auch weiterhin möglich. "Der Staat kann und wird nie alle Facetten des Sterbens regeln können", sagte Griese.

Fraktionszwang aufgehoben

Ähnlich äußerte sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). "Es ist richtig, dass unsere Rechtsordnung zum Drama der Selbsttötung schweigt", sagte er. Zugleich sei es jedoch nicht hinzunehmen, wenn Vereine eine Beihilfe zum Suizid als Dienstleistung anbieten. Wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und weite Teile des Kabinetts unterstützt auch Gröhe das Verbot organisierter Suizidbeihilfe und damit den Entwurf von Griese und Brand.

Für die Abstimmung ist der Fraktionszwang aufgehoben, die Entscheidung wird für den frühen Nachmittag erwartet. Anders als üblich wird in einem Stimmzettelverfahren in voraussichtlich mehreren Durchgängen über die Gesetzentwürfe abgestimmt. Möglich ist dabei auch, dass gar keine Neuregelung am Ende eine Mehrheit bekommt. Dann bleibt die bisherige Rechtslage bestehen.

Dafür warb die Grünen-Angeordnete Katja Keul. Es gebe keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf, sagte sie. Die bisherige Rechtslage habe nicht zu einem Anstieg assistierter Suizide geführt. Keul argumentierte, bereits jetzt könne Missbrauch geahndet werden. Wer die Grenzen von der Beihilfe zur Tatherrschaft überschreitet, mache sich strafbar.

Striktes Sterbehilfe-Verbot wohl chancenlos

Als abgelehnt gelten die Anträge, wenn am Ende der Abstimmung kein Antrag mehr Ja- als Nein-Stimmen erhält. Die Gegner eines strafrechtlichen Verbots, also die Gruppen um Hintze und Künast, hatten zuvor angekündigt, gemeinsam gegen den Griese/Brand-Entwurf zu stimmen, sollte er im letzten Wahldurchgang als einziger zur Wahl stehen.

Als weitgehend chancenlos gilt ein Antrag zu einem strikten Sterbehilfe-Verbot von Patrick Sensburg (CDU), der die Hürde zur Einbringung nur knapp geschafft hatte. "Sterbehilfe darf keine Alternative zur Pflege und Sterbebegleitung sein", sagte er in der Debatte.