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Immer mehr ältere Menschen sind in Online-Communities für Senioren aktiv.
Privates mit Fremden besprechen
Senioren finden in Online-Communities Hilfe
Sie tauschen sich über Neuigkeiten aus, flirten oder verabreden sich für Reisen: Immer mehr Ältere sind in Online-Communities aktiv. Spezielle Seiten für Senioren sind beliebt. Die Nutzer finden dort auch Unterstützung bei privaten Problemen.
05.11.2015
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Matthias Klein (epd)

Frankfurt a.M. (epd)Ihre Nachbarn mag Sigrid Kühner (Name geändert) schon ganz gerne. Aber wenn sie sich mit ihnen unterhält, bleibt sie immer ein bisschen vorsichtig. "Es gibt große Ratsche hier", berichtet die 66-Jährige, in der Nachbarschaft wird gern getratscht. Über Themen wie den Tod ihres Mannes sprechen? Lieber nicht. Anders ist das online: In einer Senioren-Community hat sie Gesprächspartner gefunden, denen sie sich öffnet.

Sigrid Kühner ist kein Einzelfall. Immer mehr ältere Menschen suchen Kontakte über das Internet. Schließlich gehört das Netz für viele Senioren inzwischen zum Alltag. Jeder zweite Deutsche ab 60 Jahren ist laut der ARD/ZDF-Onlinestudie zumindest gelegentlich online, fast jeder Dritte sogar jeden Tag. Die Onliner unter den Senioren ab 65 Jahren waren laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom im vergangenen Jahr durchschnittlich 51 Minuten täglich im Netz unterwegs.

Soziales Netz wird kleiner

Viele Wege führen zu neuen Kontakten: Manche suchen dort, wo sich auch ihre Enkel tummeln, in sozialen Netzwerken wie Facebook. Andere bewegen sich in speziellen Angeboten für ihre Altersgruppe. "Viele Senioren finden Facebook zu schnell und unübersichtlich. Es gibt für sie zu viele Funktionen und die Einstellungen sind zu komplex", sagt die Sozialpädagogin Jennifer Kreß. In ihrer Doktorarbeit hat sie Communities für ältere Menschen erforscht und dafür unter anderem mit Kühner gesprochen. Elf Prozent der Internetnutzer ab 60 Jahren sind laut der ARD/ZDF-Onlinestudie in Communities aktiv.

Sigrid Kühner war bis zu ihrer Pensionierung als Buchhalterin tätig. Eine Bekannte erzählte ihr von Feierabend.de. Die Macher der Seite wollen gezielt Senioren ansprechen: Der typische Nutzer "genießt das Leben als Rentner oder Pensionär", heißt es auf der Homepage. Die Möglichkeiten sind mit denen der großen sozialen Netzwerke vergleichbar: Die Community-Mitglieder können ein Profil anlegen, sich mit anderen austauschen und in Gruppen zusammenschließen. Die Schrift ist etwas größer, die Seite sieht überschaubar aus. Nach eigenen Angaben sind knapp 180.000 Menschen angemeldet. Kühner fand das interessant.

Grundsätzlich nutzten Senioren Online-Communities aus vergleichbaren Motiven wie junge Menschen, sagt Anja Hartung, Vorsitzende des Vereins Gesellschaft-Altern-Medien: "Es geht um soziale Zugehörigkeit, Gemeinschaft und Teilhabe." Mit zunehmendem Alter werde das soziale Netz kleiner: "Die Verbindung zu Kolleginnen und Kollegen reißt ab, Gleichaltrige sterben. Die Mobilitätsanforderungen des Erwerbslebens haben zur Folge, dass Familien häufig auseinandergerissen werden und neue Formen des Miteinanders entwickeln müssen."

Hilfe bei Gebrechen

Online-Netzwerke seien eine Möglichkeit, in Verbindung zu bleiben, erläutert die Professorin für Kultur- und Medienbildung an der pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Außerdem suchten viele nach einem neuen Partner: Jeder fünfte Nutzer von Online-Partnerbörsen sei älter als 60 Jahre.

Online-Kontakte könnten zudem eine Möglichkeit sein, mit körperlichen Gebrechen umzugehen, sagt Wissenschaftlerin Kreß, die an der Hochschule Darmstadt lehrt. "Das ist ein Riesen-Vorteil der Internet-Communities." Eine Schlaganfall-Patientin pflegte ihre Kontakte sogar dann, als sie zeitweilig nicht sprechen konnte - sie schrieb einfach Textnachrichten. Als Sigrid Kühner sich bei Feierabend.de anmeldete, stand ihr eine Operation am Fuß bevor. Längere Zeit konnte sie das Haus nicht verlassen. In der Community fand sie Gesprächspartner.

Und auch bei einem schwierigen Thema half ihr das Netzwerk: Vor sieben Jahren starb ihr Mann, ein schwerer Schicksalsschlag. Vor seinem Tod hatte sie ihn lange zu Hause gepflegt. Das war eine große Belastung. In der Online-Community lernte sie andere Betroffene kennen, die ebenfalls schwer kranke Partner pflegen. Kühner hat das Gefühl, ihnen helfen zu können, das tut ihr gut.

Struktur wie ein Verein

Bei den betagten Nutzern mischten sich anders als bei Jugendlichen sehr oft Online- und Offline-Kommunikation, berichtet Kreß. "Sie lernen sich im Internet kennen, aber dann telefonieren viele, schreiben Briefe oder schicken sich Päckchen." Auf Feierabend.de gibt es zudem Regionalgruppen, in denen sich Mitglieder außerhalb der Online-Welt treffen. "Viele haben eine Struktur wie ein Verein, mit verbindlichem Charakter", sagt Kreß. "Das hat einen großen Stellenwert."

Trotz dieser positiven Möglichkeiten drohen online auch Gefahren. Sigrid Kühner lernte nach kurzer Zeit einen Mann kennen, der rasch klarmachte, dass er vor allem Sex wollte. Sie brach den Kontakt ab. Hinzu kommt: Weil vielen Senioren Erfahrungen mit der neuen Technik fehlten, seien sie eine besonders beliebte Zielgruppe für Täuschungs- und Überrumplungsaktionen beispielsweise bei Online-Einkaufsmöglichkeiten, warnt Forscherin Hartung. Dagegen helfe ihnen dasselbe wie ihren Enkeln: Medienkompetenz.