TV-Tipp des Tages: "Club der roten Bänder" (Vox)
TV-Tipp des Tages: "Club der roten Bänder", 9. November, 20.15 Uhr auf Vox
Geschichte um sechs junge Langzeit-Patienten, die durch ihre Krankheiten zu Schicksalsgefährten werden.

Weil die Patienten kommen und gehen, spielen in Krankenhausserien naturgemäß Ärzte die Hauptrolle, allenfalls noch Schwestern und Pfleger. Nicht nur deshalb fällt "Club der roten Bänder" aus dem Rahmen, denn hier stehen jugendliche Langzeitpatienten im Mittelpunkt, und daher ist die Basis, auf der die Drehbücher aufbauen, erst mal traurig: Leo und Jonas (Tim Oliver Schultz, Damian Hardung), haben Krebs und jeweils ein Bein verloren; Hugo (Nick Julius Schuck) liegt schon seit zwei Jahren im Koma; Alex (Timur Bartels) hat einen schweren Herzfehler; und Emma (Luise Befort), das einzige Mädchen der Runde, ist magersüchtig. Am besten dran ist eigentlich Toni (Ivo Kortlang). Er hat zwar eine milde Form des Asperger-Syndroms, aber das macht ihn nicht zu einem Behinderten, sondern zu einem ganz besonderen jungen Mann. Im Krankenhaus ist er gelandet, weil er sich bei einem Mopedunfall beide Biene gebrochen hat. Außerdem ist er der einzige der Gruppe, der mit Hugo kommunizieren kann. Dessen Geist befindet sich in einer Zwischenwelt, zu der die anderen nur Zutritt haben, wenn sie ebenfalls zwischen Leben und Tod schweben. 

Das klingt zwar nach Fantasy, doch davon ist "Club der roten Bänder" weit entfernt. Die Serie erzählt die Geschichte einer eigentlich unmöglichen Freundschaft, denn die sechs Clubmitglieder habe völlig unterschiedliche soziale Hintergründe. Im wahren Leben hätten sie sich kaum aufeinander eingelassen, aber ihre Krankheiten machen sie zu Schicksalsgefährten. Die erste fiktionale Eigenproduktion von Vox basiert auf den Jugenderinnerungen, die der Katalane Albert Espinosa 2008 in seinem autobiografischen Roman "Glücksgeheimnisse aus der gelben Welt" beschrieben hat. Was Leo und Jonas durchmachen, hat der Autor am eigenen Leib erlebt. Espinosa selbst hat aus seiner Geschichte eine Serie gemacht, die mit großem Erfolg im spanischen Fernsehen gelaufen und als Formatadaption international mehrfach verkauft worden ist.

Große Lebensfreude

Die deutsche Version ist dennoch mehr als bloß eine schlichte Übertragung, zumal die hiesigen Protagonisten deutlich älter sind. Zu den Regisseuren gehört Grimme-Preisträger Richard Huber ("Dr. Psycho"), der sich sicher nicht für eine simple Verfilmung der Vorlage hergeben hätte. Das erfahrene Drehbuchduo Arne Nolting und Jan Martin Scharf ist unter anderem für die Filmreihe "Friesland" (ZDF) und die RTL-Serie "IK1 – Touristen in Gefahr" verantwortlich, das ähnlich renommierte Produzentenduo Gerda Müller und Jan Kromschröder hat gemeinsam den "Letzten Bullen" (Sat.1) ins Leben gerufen.

Während die Autoren dafür gesorgt haben, dass die Figuren eine Tiefe bekommen, die über die offenkundigen Klischees weit hinausgeht, liegt die Leistung der Regie vor allem in der Führung der Schauspieler. Gänzlich unerfahren ist keiner aus dem Sextett, die Filmografien sind angesichts ihrer Jugend – alle sind um die zwanzig oder jünger – sogar recht eindrucksvoll, aber die vorerst zehn Folgen stellen natürlich eine ganz besondere Herausforderung dar. Ihre größte Leistung bestand darin, die Rollen zum Leben zu erwecken, denn zunächst wirken sie so stereotyp, wie es die jeweilige Position innerhalb der Clique zunächst nahe legt. Ein Physiotherapeut (Matthias Brenner) bringt Leo auf die Idee, den Club zu gründen. Jede Gang, belehrt ihn der Mann, bestehe aus sechs Typen. Leo sieht sich als Anführer, Bettnachbar Jonas wird sein Stellvertreter. Auch das Mädchen ist rasch gefunden. Der als ausgesprochen unsympathische Figur eingeführte arrogante Alex ist der Hübsche, Toni der Schlaue und Hugo der gute Geist der Gruppe. Der Name des Clubs bezieht sich auf das rote Armband, dass man bei jeder Operation bekommt; Leo hat bereits ziemlich viele davon.

Die Umsetzung ist eine interessante Mischung. Der Vorspann erinnert an tägliche Serien und signalisiert daher eigentlich eine Soap, doch gerade die Auftaktfolge mit ihren vergleichsweise vielen Außenaufnahmen ist gestaltet wie eine Dramaserie, zumal das Drehbuch nicht gleich alles über die Figuren preisgibt; später spielt sich das Geschehen vorzugsweise im Krankenhaus ab. Im Unterschied zu den gängigen täglichen Serien verzichtet "Club der roten Bänder" jedoch auf die übliche ABC-Dramaturgie. Action, Beziehung und Comedy sind hier nicht einem jeweils eigenen Handlungsstrang zugeordnet, sondern prägen die gesamte Erzählung. Auch darin liegt eine große Stärke: Die Geschichten sind mal zum Lachen und mal zum Heulen. Und sie leben von besonderen Momenten, die in der ersten Folge meist Jonas gehören: sein wortloser Abschied von den Skater-Freunden, ein letzter Tanz mit Emma am Abend vor der Beinamputation. Ähnlich intensiv ist ein Akt der Verzweiflung, als er quasi vor der OP-Tür aus dem Bett springt, um zu den Klängen des "Immigrant Song" von Led Zeppelin durch die Gänge zu rennen. Gerade auch wegen solcher Szenen vermittelt die mitunter grimmig humorvolle Serie eine große Lebensfreude, obwohl die individuellen Schicksale für sich betrachtet eher deprimierend sind.

Nicht nur in der RTL-Familie drückt man Vox die Daumen; in letzter Zeit sind einfach zu viele Serien von Privatsendern gefloppt. "Club der roten Bänder" läuft um 20.15 Uhr und setzt sich auf diese Weise deutlich von zumindest optisch verwandten Produktionen wie "Gute Zeiten, schlechte Zeiten", obwohl die Zielgruppen sicher ähnlich sind. Andererseits verbindet sich mit dem Termin automatisch eine höhere Erwartungshaltung, auch an den Produktionswert, doch der ist sichtbar niedriger als bei anderen Hauptabendserien. Unterm Strich also in vielerlei Hinsicht ein Experiment mit ungewissem Ausgang, aber die Serie hätte es verdient, ihr Publikum zu finden.