wollen sich zusammentun
Berlin (epd)Kurz vor der Bundestagsabstimmung über eine Neuregelung der Hilfe beim Suizid verhärten sich die Fronten zwischen Gegnern und Befürwortern von Sterbehilfe. Am Dienstag appellierten zwei Parlamentarier-Gruppen, die für eine Liberalisierung der Hilfe bei der Selbsttötung stehen, an ihre Kollegen, ein Verbot zu verhindern. Geschlossen wollen sie am Freitag gegen den bislang erfolgversprechendsten Entwurf der Gruppe um Kerstin Griese (SPD) und Michael Brand (CDU) stimmen. Diese Gruppe wiederum warf ihren Kontrahenten Taktik vor, die dem ethisch sensiblen Thema nicht angemessen sei.
Ärzte kriminalisieren
Am Freitag stimmt der Bundestag über die verschiedenen Entwürfe ab. Griese und Brand wollen die auf Wiederholung angelegte, sogenannte geschäftsmäßige Hilfe beim Suizid, die im Einzelfall ansonsten straffrei ist und bleiben soll, unter Strafe stellen. Dagegen steht ein Entwurf von Karl Lauterbach (SPD) und Peter Hintze (SPD), die eine ausdrückliche Erlaubnis dieser Form der Sterbehilfe festschreiben wollen. Renate Künast (Grüne) und Petra Sitte (Linke) wollen darüber hinaus die umstrittenen Sterbehilfe-Vereine explizit legalisieren.
Die Vertreter der liberalen Richtungen veröffentlichten nun einen Appell, in dem sie der Gruppe um Brand und Griese unter anderem vorwerfen, Ärzte zu kriminalisieren. Alle Mediziner, die Patienten beim Sterben helfen wollen, stünden künftig in der Gefahr, strafrechtlich verfolgt zu werden. Brand widersprach: Für den vorgelegten Gesetzentwurf sei eine "chirurgisch präzise Regelung" gefunden worden, die dies ausschließt. "Die Behauptung ist falsch", betonte der Abgeordnete.
Abgestimmt wird am Freitag im Stimmzettelverfahren, wobei in mehreren Durchgängen jeweils Anträge herausfallen, die die wenigsten Stimmen haben. Künast, Lauterbach und Hintze wollen eigenen Angaben zufolge zunächst für ihre Anträge stimmen. Im zweiten Durchgang wollen sie dann den von beiden Entwürfen übrig geblieben unterstützen. Nach derzeitigen Stand wird dies wahrscheinlich der Lauterbach/Hintze-Entwurf für die Festschreibung der ärztlichen Suizidassistenz sein. Verliert auch dieser, wollen die Gruppen geschlossen gegen den Griese/Brand-Entwurf stimmen.
Bei einem mehrheitlichen Nein der Abgeordneten würde es gar keine gesetzliche Neuregelung geben. Sterbehilfe-Organisationen würden dann erst richtig loslegen, sagte Brand. Griese ergänzte, sie habe in der aufgeladenen Debatte zunehmend das Gefühl, dass das Ziel einer Neuregelung aus dem Blick gerate: ein Ende der ethisch umstrittenen Sterbehilfevereine.
Griese und Brand haben derzeit rund 270 Unterstützer im Parlament, während Hintze/Lauterbach und Künast gemeinsam rund 180 Sympathisanten zählen. Hinter einem Entwurf von Patrick Sensburg (CDU), der Suizidbeihilfe komplett verbieten will, stehen rund 30 Abgeordnete, die im letzten Durchgang zu Brand und Griese wechseln könnten. Absprachen wie bei den anderen Gruppen gebe es aber nicht, betonte der Mitinitiator des Griese/Brand-Entwurfs, Harald Terpe (Grüne).
Seit Dienstag steht außerdem fest, dass ein fünfter Entwurf auf die Tagesordnung kommt. Die Abgeordnete Katja Keul (Grüne), hat für ihren Vorschlag, gar nichts an der Rechtslage zu ändern, genug Unterstützer gesammelt. Sie und ihre rund 30 Unterzeichner stehen letztlich auch für ein Nein zu Brand und Griese.
Abstimmung offen
Der Ausgang der Abstimmung am Freitag ist damit völlig offen. Am Dienstag mischten sich die Fraktionsvorsitzenden von Union, SPD und Grünen in die Debatte ein. In einem Brief an alle Abgeordneten warben sie für ein Ja zum Verbot geschäftsmäßiger Suizidbeihilfe. Sie sähen die große Gefahr, dass das geschäftsmäßige Angebot von Sterbehilfe insbesondere alte und kranke Menschen unter Druck setze, ihr Leben mit fremder Hilfe frühzeitig zu beenden, heißt es in dem Schreiben von Volker Kauder (CDU), Thomas Oppermann (SPD) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne). Darin betonen sie, sich als Abgeordnete, nicht als Fraktionsvorsitzende zu äußern.
Bei den Verbotsgegnern sorgte die Intervention dennoch für Empörung. Das sei "ein bemerkenswerter Vorgang", kritisierte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Carola Reimann. Für die Abstimmung am Freitag ist die Aufhebung des Fraktionszwangs beschlossen. Jeder Abgeordnete soll nach seinem Gewissen abstimmen.