Palliativabteilung der Erlanger Uniklinik
Erlangen (epd)Eine Glasschale mit getrockneten Rosenblüten, Kerzenlicht flackert, 150 Menschen stehen in Trauerkleidung am Ufer des Flüsschens Schwabach: Sie sind nach Erlangen gekommen, um in einem Gottesdienst Abschied von Verwandten und Freunden zu nehmen. Pfarrerin Christine Günther lässt auf den Wellen der Schwabach die Rosenköpfe davonschwimmen. Jede der verblühten Blumen steht für einen Patienten, der in der Palliativabteilung gestorben ist. Ihre Namen sind zuvor im Gottesdienst in der Herz-Jesu-Kirche verlesen worden.
Über das Sterben reden
Dreimal im Jahr findet nach diesem Ritual eine Gedenkfeier statt. Etwa 70 Männer und Frauen sterben im Durchschnitt im Zeitraum von vier Monaten in der Palliativabteilung der Universitätsklinik Erlangen. "Der Tod ist im Krankenhaus immer ein unliebsamer Gast", sagt die Pfarrerin. In der Palliativabteilung dagegen werde über das Sterben geredet, ein bewusster Umgang mit der letzten Lebensphase gepflegt. Die Seelsorgerin gehört ganz selbstverständlich zum Team der Abteilung.
Ärzte, Pfleger, Psychologen, Sozialpädagogen, Physiotherapeuten und eine Fallmanagerin bilden dieses Team - und im weitesten Sinne auch die Terrier Elie und Höphi, die gelegentlich Besuchsdienste übernehmen. An diesem Morgen sitzen zehn aus dieser Mannschaft zur Übergabe-Besprechung zusammen. Alles andere als ein gewöhnliches Klinik-Ambiente herrscht in dem Raum. Wandfarbe und Vorhänge in warmen Erd- und Rottönen, zwei moderne braune Ledercouches, ein Klavier in der Ecke, eine Glastür zu einer großen Dachterrasse.
Auch der Gründer der Abteilung, Professor Christoph Ostgathe, ist dabei. Vor einigen Jahren ist der unprätentiöse, ruhige Mann, der als eine der deutschen Koryphäen der Palliativmedizin gilt, von Köln nach Franken gekommen. Seit langer Zeit versucht er mit viel Einsatz zu vermitteln, dass zur würdevollen Versorgung sterbenskranker Menschen mehr gehört als Medizin, Medikamente und Pflege. Er propagiert ein ganzheitliches Konzept, das Angehörige und Freunde des Schwersterkrankten einbezieht.
In den neun Patientenzimmern der Palliativabteilung stehen daher auch Übernachtungsbetten für Verwandte, die Kranken haben Internetzugang und Fernsehen am Bett. Neun Tage im Schnitt belegt ein Patient ein Bett in der Palliativabteilung der Uniklinik Erlangen, sagt Ostgathe. Es wüssten nicht viele, dass 40 bis 50 Prozent der Kranken die Palliativabteilung wieder verlassen, nach Hause oder in ein Hospiz.
Keine klassische Pflege
In der Übergabebesprechung berichten die Pflegerinnen, wie es den sechs Patienten geht, die gerade in der Abteilung liegen. Medikamentengaben, Schmerzkrisen, psychische Krisen, aber auch die Belastbarkeit der Angehörigen werden durchgegangen. Herr H. lehne jetzt in seiner letzten Phase des Lebens das Essen und Trinken ab, berichtet eine der Schwestern. Über die Konsequenzen werde sie noch einmal mit der Ehefrau sprechen, sagt die Oberärztin. Auch der Ausfall des Satellitenfernsehens am Abend zuvor kommt zur Sprache: Patient M. konnte das Fußballspiel seiner Mannschaft nicht sehen. "Er war sehr traurig", fühlt die Pflegerin mit.
"Palliative Behandlung und Pflege unterscheiden sich komplett von der klassischen Pflege", sagt Ingrid Ritzer-Rudler vom mobilen palliativen Dienst der Uniklinik Erlangen. Das Fehlen des geschäftigen medizinischen Lärms anderer Stationen ist auffällig. Die Menschen, die in einem der großen Zimmer der Palliativabteilung liegen, leiden unter Tumorerkrankungen, schweren Herzerkrankungen oder der Nervenkrankheit ALS. Das Team der Palliativ-Abteilung hat gelernt, wie ihre Schmerzen gelindert werden können, sagt Ritzer-Rudler. "Wir machen nichts, was das Leiden unnötig in die Länge zieht. Essen, Trinken und Blutkonserven müssen nicht sein, außer sie dienen der Linderung von Symptomen." Sie hat auch gelernt, mit Opiaten umzugehen, und berät in ihrer Dosierung Ärzte.
Palliativmedizin kann und will Angst Schmerzen nehmen, versichern die Experten der Erlanger Station. "Das Thema assistierter Suizid kommt hier nicht vor, denn wir sind dagegen", betont Pfarrerin Günther. Wer keine Schmerzen mehr habe, wünsche sich keinen schnellen Tod. Sie ist aber davon überzeugt: Wenn es legal die Möglichkeit der Hilfe zur Selbsttötung geben würde, nehme in Zukunft dieser Wunsch zu.