Berlin (epd)In einem Appell, den sie am Dienstag in Berlin vorstellten, fordern Abgeordnete aller Fraktionen ihre Parlamentskollegen auf, an diesem Freitag geschlossen gegen den
Antrag der Gruppe Brand/Griese zu stimmen, der ein Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe vorsieht.Die Gegner plädieren für die "Freiheit des Gewissens" und gegen die Kriminalisierung der Suizidbeihilfe. Sie warnen davor, dass alle Ärzte, die Patienten beim Sterben helfen wollen, künftig in der Gefahr stünden, strafrechtlich verfolgt zu werden.
Auseinandersetzung spitzt sich zu
Zugleich wurde ein Brief der Fraktionsvorsitzenden von Union und SPD, Volker Kauder (CDU) und Thomas Oppermann (SPD), sowie der grünen Fraktionsvorsitzenden Katrin-Göring-Eckardt bekannt, in dem sie für ein Verbot organisierter Hilfe beim Suizid werben. Göring-Eckardts Co-Vorsitzender Anton Hofreiter unterstützt hingegen die Verbotsgegner.
Bei den Verbotsgegnern sorgte die Intervention für Empörung. Das sei "ein bemerkenswerter Vorgang", kritisierte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Carola Reimann. Die grüne Rechtsexpertin und frühere Fraktionschefin Renate Künast sagte: "Ich hätte so was als Fraktionsvorsitzende nie getan."
Damit spitzt sich die Auseinandersetzung um ein Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe wenige Tage vor der Abstimmung deutlich zu. Wie bei ethischen Themen üblich, folgen die Abgeordneten am Freitag nicht dem Fraktionszwang, sondern entscheiden sich frei für einen der vier fraktionsübergreifenden Gesetzesanträge zur Sterbehilfe.
Die Gruppe um die Parlamentarier Kerstin Griese (SPD) und Michael Brand (CDU) will die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestrafen. Das Verbot würde sich nicht auf Sterbehilfe-Vereine beschränken, diese aber umfassen. Einzelfallentscheidungen von Ärzten sollen ihrem Willen nach nicht sanktioniert werden.
Gegen Bevormundung der Bevölkerung
Dagegen wollen sich die Verbotsgegner nun zusammentun. Da keiner ihrer Anträge in der ersten Abstimmungsrunde die Mehrheit erhalten wird, wollen sie in der zweiten Runde gemeinsam den stärkeren ihrer beiden Anträge unterstützen, was nach derzeitigem Stand auf den Hintze/Lauterbach-Antrag hinausläuft. Er sieht vor, dass Ärzte, die Beihilfe zum Suizid leisten, nicht strafrechtlich verfolgt werden dürfen. Der CDU-Abgeordnete Peter Hintze und Vizepräsident des Bundestags sagte, sofern man sich auch in der zweiten Runde nicht durchsetzen könne, wolle man in der dritten Runde ein möglichst breites "Nein" des Parlaments erreichen.
"Wir wenden uns gegen die Bevormundung der Bevölkerung und die Kriminalisierung der Ärzte", sagte Hintze. Anders als die Befürworter eines Verbots der geschäftsmäßigen Sterbehilfe behaupten, würden Ärzte vor Strafverfolgung nicht geschützt.
Wer dies behaupte, liege falsch, erklärte auch der SPD-Gesundheitsexperte und Arzt Karl Lauterbach mit Blick auf den Vorsitzenden der Bundesärztekammer Frank-Ulrich Montgomery. Derzeit gebe es keine strafrechtliche Verfolgung von Ärzten, sie werde aber eingeführt, wenn das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe beschlossen würde.
Etwa 180 Abgeordnete seien noch unentschieden, sagte Hintze. Für den Antrag von Hintze/Lauterbach gebe es gegenwärtig etwa 180 Unterstützer, während Brand/Griese derzeit mit gut 200 Unterstützern vorn lägen. Bis zum Freitag wolle man noch intensiv für das "Nein" werben, sagte Hintze. Es gehe um "eine Entscheidung von schicksalhafter Bedeutung", deren Folgen noch längst nicht alle Abgeordneten klar seien.