"Es ist nie vorbei": Das ist im Fall dieses Krimis ein Titel von fast schon grimmiger Doppeldeutigkeit. Einerseits bezieht er sich auf die Folgen von kindlichem Missbrauch, der die Opfer ihr Leben lang prägt, andererseits hat er konkreten Bezug zu den Ermittlern, denn die dürfen ein Wiedersehen feiern, das für sie selbst eher zweifelhaft, für die langjährigen Fans der Reihe aber ein Fest ist.
Nachdem im letzten Film ("Kreuzfeuer") schon Micha Broder (Harald Schrott), der Schurke aus dem sieben Jahre zurückliegenden Premierenfall "Mörderische Verfolgung", wieder aufgetaucht ist, gibt sich nun auch seine damalige Freundin Lisa die Ehre. Bernadette Heerwagen hatte damals als unberechenbarer Faktor in einem bösen Spiel die reizvollste Rolle, und das gilt auch für den neuen Fall: Einen Tag vor Broders Entlassung gelingt Lisa die Flucht aus dem Gefängnis. Kaum in Freiheit, ermordet sie zwei Männer kaltblütig. Die beiden sind keineswegs Zufallsopfer, wie die Stralsunder Kriminalpolizei zunächst vermutet. Und noch etwas wissen sie nicht: Die angesichts der Morde schockierte Gefängnispsychologin (Jasmin Gerat) ist Lisas Geliebte und hat ihr zur Flucht verholfen.
Der mittlerweile siebte Film ist nicht ganz so kraftvoll wie frühere Beiträge (Regie: Christine Hartmann), aber immer noch sehenswert. Das liegt einerseits an Bernadette Heerwagen, die als blonder Racheengel ganz in schwarz durch das Geschehen irrlichtert und eine blutige Spur hinterlässt. Die Konstruktion mit der Psychologin als Leidens- und Bettgefährtin ist etwas gewagt, aber sie funktioniert; das Drehbuch stammt wie sämtliche Vorlagen für die Reihe von Martin Eigler und Sven S. Poser.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Der Reiz der Reihe lag von Anfang an im Mit- und vor allem Gegeneinander der Teammitglieder, daran haben auch die Besetzungswechsel nichts geändert: Nina Petersen (Katharina Wackernagel) ist nach wie vor der integrative Faktor, trägt sich aber mit Auswanderungsgedanken, der väterliche Kollege Karl Hidde (Alexander Held) kann den Neuen, Max Morolf (Wanja Mues), immer noch nicht leiden, weil der den Tod eines Kollegen auf dem Gewissen hat, und Teamchef Meyer (Michael Rotschopf) wirkt nicht immer souverän bei seinem Bemühen, die gruppendynamischen Animositäten zu moderieren.
Davon abgesehen ist "Es ist nicht vorbei" auch für Gelegenheitszuschauer ein guter Thriller, weil niemand weiß, wie sich die aggressive und psychisch labile Lisa verhalten wird. Broder, den Schrott erneut mit einer irritierend faszinierenden Mischung aus Coolness und latenter Brutalität verkörpert, mischt natürlich auch wieder mit, und so kommt es schließlich zum fesselnden Finale auf Rügen, das keiner der Beteiligten ohne Verletzungen an Leib und Seele übersteht.