epd-bild / Katharina Hesse
Wissenschaftler streiten über die gesundheitlichen Gefahren von Verkehrslärm.
Mediziner bezweifeln Aussagen von Verkehrslärm-Studie
Wie gefährlich ist Verkehrslärm? Das ist umstritten. In einer am Donnerstag präsentierten Studie hatten die Autoren festgestellt, die gesundheitlichen Gefahren seien eher gering. Mediziner widersprechen und stellen die Methodik der Studie in Frage.

Mainz (epd)Einige zentrale Ergebnisse der umfassenden Untersuchung hätten wegen methodischer Fehler keine tatsächliche Aussagekraft, sagte der Bremer Epidemiologe Eberhard Greiser am Freitag in der Uniklinik Mainz. Im Zentrum der Kritik steht vor allem der von der sogenannten Norah-Studie (Noise-Related Annoyance, Cognition and Health) behauptete fehlende Zusammenhang zwischen Lärmbelastung und Bluthochdruck. Die Norah-Studie war am Donnerstag präsentiert worden.

Verschiedene vorangehende Studien hätten das Gegenteil belegt, sagte der Mainzer Medizin-Professor Thomas Münzel. "Die Tatsache", dass Fluglärm Bluthochdruck auslöse, gelte in der Wissenschaft als gesichert. Die Befunde der Norah-Studie hätten andere Wissenschaftler daher sehr überrascht. Für die Teilstudie zum Bluthochdruck hatten über 800 Probanden ihre Werte gemessen und an die Verfasser der Studie übermittelt. Dabei konnte kein "statistisch signifikanter und medizinisch relevanter" Zusammenhang mit dem Fluglärm-Dauerschallpegel ermittelt werden.

Soziale Oberschicht stark überrepräsentiert

"Bei der Analyse bin ich von einem Entsetzen ins andere gefallen", kommentierte Greiser die Studie, um deren Erstellung er sich erfolglos selbst beworben hatte. So sei die Beteiligungsrate von unter zehn Prozent aller angeschriebenen Personen niedriger, als bei allen vergleichbaren weltweit in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlichten Untersuchungen. Die tendenziell gesündere soziale Oberschicht sei in der Auswahl stark überrepräsentiert. Bei einer ersten Kontaktaufnahme seien alle möglichen Kandidaten von einer Teilnahme ausgeschlossen worden, bei denen der Hausarzt bereits Bluthochdruck festgestellt hatte.

Ähnliche Schwachpunkte konstatierten die Wissenschaftler auch bei einer Teilstudie zur Beeinträchtigung der Lebensqualität. So seien von der Befragung zur Schlafqualität alle Menschen ausgeschlossen worden, die unter Schlafstörungen leiden, Schlafmittel einnehmen, schnarchten oder kleine Kinder im Haushalt hätten. Diese Einschränkungen seien nicht nachvollziehbar.

Informationsmaterialien in der Kritik

Greiser und der ehemalige Leiter der Kardiologie an der Frankfurter Universitätsmedizin, Martin Kaltenbach, kritisierten auch die Informationsmaterialien für die Teilnehmer der Blutdruck-Untersuchung. Eine an alle Probanden verteilte Abbildung zeige, wie die Manschette des Blutdruckmessgeräts über den Pullover und statt am Oberarm über die Ellenbeuge angelegt werde. Die gemessenen Werte von Personen, die sich an diese falsche Anleitung gehalten hätten, seien kaum zu verwerten.

Kaltenbach sollte ursprünglich selbst an der Studie mitarbeiten, hatte das Forscherteam jedoch nach eigenen Angaben unter Protest wieder verlassen. Im Rückblick sei er froh darüber, dass sein Name nicht mit der Studie in Verbindung gebracht werden könne.

Hinter dem Norah-Projekt stehen neun Forschungs- und Fachinstitutionen der Medizin, Psychologie, Sozialwissenschaft, Akustik und Physik in Deutschland. Die Studie wurde vor fünf Jahren von der Gemeinnützigen Umwelthaus GmbH, einer Tochter des Landes Hessen, in Auftrag gegeben.