Augsburg, Frankfurt a.M. (epd)Der Gemeinschaftsraum hat den Charme einer Studenten-WG: Auf dem Naturholztisch liegt ein offenes Päckchen Zucker, an einem Regal hängt ein Männerhemd, aus einer Wand ragen Kabel heraus. Aus dem Büro nebenan tritt Sina Trinkwalder. "Wir duzen uns hier alle", sagt sie und streckt dem Besucher zur Begrüßung die Hand hin: "Ich bin die Sina." Die Frau ist 37 Jahre alt, trägt Jeans und Turnschuhe - und ist Chefin der Augsburger Öko-Textilfirma Manomama.
Menschen, die sonst keinen Job bekommen
Vor fünf Jahren hat Trinkwalder das Unternehmen gegründet. Angefangen hat sie alleine, nur mit einer Nähmaschine. Heute setzt Manomama acht Millionen Euro im Jahr um und hat gut 150 Beschäftigte. Die meisten davon sind Menschen, die anderswo keinen Job bekommen: "Meine Idee war es, ein Unternehmen für diejenigen zu machen, die sonst keiner einstellt."
Bei Manomama arbeiten Alleinerziehende ebenso wie Menschen, die nicht lesen und schreiben können, Menschen mit psychischen Problemen oder mit Migrationshintergrund. "Die Leute kommen zu uns, weil sie hier eine Chance bekommen", sagt Trinkwalder. Die Augsburgerin ist dafür schon mehrfach geehrt worden. Am Samstag bekommt die Unternehmerin in Frankfurt am Main den undotierten Deutschen Fairness-Preis.
Mit ihrem Einsatz für benachteiligte Menschen und ökosoziale Textilien setze Trinkwalder "vorbildliche Signale für eine umfassend verstandene Fairness-Praxis", urteilt die Fairness-Stiftung unter Leitung des Philosophen, Theologen und Publizisten Norbert Copray. Trinkwalder freut sich über den Preis, weil damit "unsere Art des Wirtschaftens anerkannt wird. Es ist ein Zeichen, dass wir ernst genommen werden."
Menschen vertrauen
Das war lange nicht so. Als Manomama vor fünf Jahren startete, gaben Branchenkenner dem Unternehmen kein Jahr. Tatsächlich widerspricht manches gängigen Firmenregeln. Bewerbungsgespräche gebe es bei Manomama keine, sagt Trinkwalder: "Unser einziges Einstellungskriterium ist der Posteingangsstempel." Die Bewerbung, die am längsten da liege, komme zum Zug. Jede Kandidatin - es sind vor allem Frauen - bekomme sofort einen unbefristeten Job und mindestens zehn Euro Stundenlohn. Außerdem könne sich jede die Arbeitszeit und die Art des Jobs selbst aussuchen.
"Du musst den Menschen vertrauen", sagt Trinkwalder. "Dann liefern sie auch gute Arbeit ab." Druckreife Sätze wie diesen hat die Unternehmerin fast auf Knopfdruck parat. Die im schwäbischen Oettingen geborene Trinkwalder ist ein Werbeprofi. Bevor sie Manomama gründete, führte sie gemeinsam mit ihrem Mann erfolgreich eine PR-Agentur. Nach der Geburt ihres Sohnes jedoch habe sie beschlossen, künftig nicht mehr länger "meine Seele zu verkaufen, nur damit ich davon leben kann".
Geringe Gewinnmargen
Zum Konzept von Manomama gehört, dass die Stofftaschen und die Kleidung, die das Unternehmen fertigt, ökologisch und mit regionalen Zulieferern hergestellt werden. "Sehen sie sich den einmal an", sagt Trinkwalder und hält ihren grauen Schurwollmantel in die Höhe. "Die Wolle dafür stammt von der Herde eines Schäfers hier ganz in Nähe." Keiner der Lieferanten sei mehr als 300 Kilometer entfernt. Nur die Biobaumwolle stamme aus Tansania. Auch die Rohstoffe, die es regional nicht gebe, müsse man "mit Respekt und zu fairen Preisen" einkaufen. Trinkwalder: "Jeder bekommt den Preis, den er verlangt."
Dass die Produkte der Firma dennoch erschwinglich sind, liege an den geringen Gewinnmargen, erläutert die Unternehmerin. In der Verwaltung arbeiteten nur drei Mitarbeiter, der Rest in der Herstellung. Werbung gebe es keine. Statt teurer Models präsentieren die Arbeiterinnen im Internet die Manomama-Mode selbst. "Meine Ladies" und "meine Familie" nennt Trinkwalder sie.