epd-bild/Detlef Heese
Nora Steinbrügge (l.) und Liesel Rehling sortieren Kleider in der Annahmestelle für Sachspenden für Flüchtlinge in Bramsche bei Osnabrück.
Warteschlangen vor der Kleiderkammer
Junge Sozialarbeiterin leitet das Diakonie-Projekt im Erstaufnahmelager Bramsche
Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan oder dem Balkan drängen sich vor der Kleiderkammer: Das Erstaufnahmelager Bramsche bei Osnabrück gehört zu den wenigen Lagern, die eine solche Kammer betreiben. Dies gelingt nur mit Hilfe der 70 Freiwilligen.
26.10.2015
epd
Martina Schwager (epd)

Bramsche (epd)Astrid Schacht greift sich einen Stapel Pullover aus der Plastikbox. Viel Zeit haben sie und die anderen Helferinnen nicht, die Regale und Ständer wieder aufzufüllen. Die Kleiderkammer ist einer der beliebtesten Orte im niedersächsischen Erstaufnahmelager für Flüchtlinge in Bramsche. Sobald sie geöffnet ist, bildet sich eine Warteschlange vor der Tür.

Sommerkleidung und Flipflops

Jeden Tag kommen Menschen aus Syrien, Afghanistan, Irak oder dem Balkan an. Die meisten in Sommerkleidung, viele ohne Gepäck und mit Flipflops an den Füßen. Manche müssen noch immer in unbeheizten Zelten schlafen. Mehr als 3.000 Menschen leben nach Angaben von Leiter Klaus Dierker in dem Lager, das für 700 ausgelegt ist. "Man weiß ja, dass hier Not herrscht. Da bin ich froh, dass ich mit anfassen kann", sagt Astrid Schacht.

Die 52-Jährige ist eine von rund 70 Freiwilligen, die den Betrieb der Kleiderkammer aufrechterhalten. Träger ist die Diakonie. Bramsche hat als eines der wenigen Erstaufnahmelager in Deutschland überhaupt noch eine Kleiderkammer, sagt die Leiterin des Diakonischen Werkes, Natalia Gerdes. In den meisten anderen seien sie geschlossen worden, weil die Arbeit sehr mühsam und aufwendig sei. Sie will diesen Service jedoch auf jeden Fall aufrechterhalten. "Kleiderkammern bieten Möglichkeiten für ehrenamtliches Engagement und für erste Kontakte zwischen Flüchtlingen und Einheimischen."

Sozialarbeiterin Nora Steinbrügge leitet das Diakonie-Projekt unter dem Titel "Ehrenamtliche helfen Flüchtlingen". Die 25-jährige weist die Helferinnen in ihre Aufgaben ein, schließt einen Vertrag mit ihnen, damit sie versichert sind, ist Ansprechpartnerin bei Problemen und organisiert Fortbildungen und Info-Abende. Gemeinsam mit zwei Mitarbeiterinnen der Aufnahmeeinrichtung koordiniert sie die Logistik.

Kleider sortieren und Sprachkurse geben

An der Annahmestelle für Sachspenden ein paar Kilometer entfernt haben sich gerade zwei Frauen neu in die Liste aufnehmen lassen. Birte Markgraf-Evels (40) ist eine von ihnen. Die Lehrerin hat im Kollegium Decken und Winterkleidung gesammelt und hergebracht. "Demnächst komme ich zum Sortieren." Außerdem macht sie eine Fortbildung, damit sie ab Januar Sprachkurse geben kann.

Liesel Rehling (62) kommt zwei- bis dreimal pro Woche in die Annahmestelle. Sie packt die angelieferten Kleider und Spielsachen aus und sortiert sie in Kunststoffboxen, die dann zum Lager transportiert werden. "Ich muss immer daran denken, dass meine Mutter damals auch geflüchtet ist", sagt die ehemalige Verkäuferin.

Die Einteilung, wann und wo sie arbeiten wollen, erledigen die Ehrenamtlichen selbstständig, erklärt Steinbrügge. "Das klappt reibungslos." Sie selbst muss häufig hin und her telefonieren, um zu erfahren, was gerade im Lager gebraucht wird, und den Nachschub zu organisieren. "Spielzeug brauchen die da heute", ruft sie in die Runde. "Aber bitte keine Puzzle und keine Kleinteile. Lieber Autos und Kuscheltiere."

Flüchtlinge als Helfer

Die Bedarfe ändern sich fast täglich. "Einzig Kleidung und Schuhe in kleinen Männergrößen brauchen wir immer." In einer großen Lagerhalle warten noch Hunderte von Säcken und Kartons mit gespendeten Sachen. "Ich könnte 100 Ehrenamtliche mehr gebrauchen, die das alles auspacken und sortieren."

Mittlerweile ist Steinbrügge von der Annahmestelle ins Lager zur Kleiderkammer gefahren, im Kofferraum zwei Säcke voller Spielzeug. Sie spricht mit einer Mitarbeiterin der Aufnahmebehörde über die Flüchtlinge, die als Helfer in der Kleiderkammer eingesetzt werden. Der Job ist begehrt. Er durchbricht den eintönigen Alltag und bringt 1,05 Euro die Stunde ein. Einige der bewährten Helfer werden in den nächsten Tagen auf die Kommunen verteilt. Sie sollen ersetzt werden.

Währenddessen hat Astrid Schacht einen Kinder-Buggy aus dem hinteren Lagerraum geholt. Mit einem auffordernden Kopfnicken übergibt sie ihn einer afghanische Familie: "For you!" Die Mutter strahlt über das ganze Gesicht. Die zweijährige Tochter lehnt sich zurück, lächelt und drückt eine kleine Stoffpuppe an ihr Gesicht.