Berlin (epd)Mehr Geld für die Länder, weniger Anreize und Leistungen für Asylsuchende: Die große Koalition plant angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen ein Bündel von Maßnahmen. Neben der stärkeren Unterstützung der Bundesländer und Kommunen sind auch Verschärfungen im Asylrecht vorgesehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) sehen zur dauerhaften Lösung der Flüchtlingskrise aber nun auch vor allem die EU gefordert. Die Beschlüsse der Koalition stießen auf ein geteiltes Echo.
EU-Flüchtlingspoliti gescheitert
Merkel sagte am Montag in Berlin, die derzeitige europäische Flüchtlingspolitik sei gescheitert. Alle EU-Länder seien in der Lage, Flüchtlinge aufzunehmen und angemessen zu versorgen. Nicht alle Länder wollen das aber: Viele Länder lehnen ein Quotensystem zur Verteilung von Flüchtlingen ab. Auch Gabriel forderte mehr Solidarität: Deutschland, Österreich und Schweden könnten nicht die einzigen Länder sein, die sich namhaft beteiligen.
Unterdessen kamen am Montag wieder Tausende Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof an. Nach Informationen des Evangelischen Pressedienstes (epd) wurde die Belastung der Einsatzkräfte so groß, dass die Flüchtlinge nicht mehr registriert wurden. Die Bundesregierung hatte am Freitagabend in Absprache mit Ungarn und Österreich den Weg für die Einreise jener Menschen freigemacht, die tagelang am Bahnhof in Budapest festgesessen hatten. Bereits am Wochenende waren auf diesem Weg etwa 20.000 Menschen nach Deutschland gelangt.
Das nach Beratungen der Spitzen von Union und SPD am Sonntagabend beschlossene Maßnahmenpaket sieht unter anderem eine Aufstockung der Bundesmittel für Flüchtlinge um sechs Milliarden Euro im kommenden Jahr vor. Die Hälfte davon soll an Länder und Kommunen gehen. Zur Beschleunigung von Asylverfahren sollen außerdem in den kommenden drei Jahren 3.000 zusätzliche Stellen bei der Bundespolizei geschaffen werden.
Die Aufenthaltsdauer in Erstaufnahmeeinrichtungen soll von drei auf sechs Monate verlängert werden. Statt der derzeit 45.000 Plätze werden dann 150.000 Plätze benötigt. Der Bund will dafür eigene Liegenschaften herrichten und den Ländern mietfrei überlassen.
"Wegweisende Entscheidungen"
Die Koalition stimmte außerdem dem Vorschlag von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zu, in den Erstaufnahmeeinrichtungen verstärkt Sachleistungen statt Bargeld auszugeben. Die Sozialleistungen für ausreisepflichtige Ausländer ohne Duldung sollen reduziert beziehungsweise von Geld- auf Sachleistungen umgestellt werden. "Es kann nicht sein, dass diejenigen, die unser Land verlassen müssen, die gleiche Höhe der Sozialleistungen bekommen wie diejenigen, die noch im Asylverfahren sind", sagte der Minister.
Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD), äußerte sich im ARD-"Morgenmagazin" indes kritisch. Es würden keine Anreize dadurch geschaffen, dass den Menschen ein Taschengeld gezahlt wird, sagte Strässer. Aber es schränke ihre Menschenwürde ein, wenn sie stattdessen Sachleistungen bekämen.
Die Eckpunkte der Koalition nannte de Maizière "wegweisende Entscheidungen". Sie enthielten Schutz und Integration für die Schutzbedürftigen, auf der anderen Seite aber auch Begrenzungen. Besonders hob de Maizière das Votum von Union und SPD zur Einstufung weiterer Balkanstaaten als sicher hervor. Der Minister äußerte sich zuversichtlich, dafür eine Mehrheit im Bundesrat zu erhalten. Die Länderkammer muss der geplanten Einstufung von Albanien, Kosovo und Montenegro zustimmen. Dabei sind Union und SPD auf Unterstützung aus Reihen der Grünen angewiesen.
Kritik von der Opposition
Der Geschäftsführer von "Pro Asyl", Günter Burkhardt, sagte: "Die Regierung schaltet mit diesen Beschlüssen von Aufnahme auf Abwehr von Flüchtlingen um." Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, nannte es "einfach nur dreist", dass die Koalition "unter dem Deckmantel der Flüchtlingshilfe weitere Verschärfungen im Asylrecht" durchdrücken wolle.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) indes ist nach eigenen Worten offen für eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsländer. Balkanstaatlern sollen den Koalitionsbeschlüssen zufolge im Gegenzug Wege legaler Einreise eröffnet werden. Wer einen Arbeits- oder Ausbildungsvertrag mit tarifvertraglichen Bedingungen vorweisen kann, soll die Stelle auch antreten dürfen.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund äußerte sich vor allem zufrieden über die Finanzzusage an Länder und Kommunen. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) kritisierte die Aufstockung der Flüchtlingshilfen für Länder und Kommunen als zu niedrig.