epd/Marko Priske
Die Moschee der Ahmadiyya Muslim Jamaat-Gemeinde in Berlin-Heinersdorf.
PR-Offensive: Muslime verbessern ihr Image
Die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Islamisten und rechtsextremen Gruppierungen im NRW-Wahlkampf werfen ein Schlaglicht auf die Tatsache, dass immer mehr muslimische Strömungen in Deutschland an die Öffentlichkeit drängen. Die Gülen-Bewegung präsentiert sich an Informationsabenden, Salafisten verschenken den Koran und eine muslimische Ahmadiyya-Gemeinde plakatiert in Berliner S-Bahnen Koransuren.

Erst im Februar lud das Berliner "Forum für interkulturellen Dialog" zu mehreren offenen Informationsabenden ein, um Muslime wie Nichtmuslime von den Vorzügen der türkischen Gülen-Bewegung zu überzeugen. Baut Schulen statt Moscheen, heißt ihr Motto. Dass man diese Bildungshäuser nicht nur positiv sehen kann, gelten sie doch auch als Rekrutierungsobjekte für innere Zirkel, bestreiten die Verantwortlichen. Journalistische Kritik an dieser von Experten als islamistisch eingestuften Bewegung wird nicht erwünscht.

Kürzlich verschenkten Salafisten auf deutschen Plätzen massenweise Koranausgaben, hielten öffentlich ihr Gebet und lösten damit eine Medien- und Politdebatte aus. Die Heilige Schrift des Islam wird missbraucht, um für undemokratische Ziele zu werben. Journalisten, die darüber berichteten, wurden von den Glaubenseiferern sogar bedroht.

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Nun startet die Ahmadiyya Muslim Jamaat nach Vorläuferaktionen in Hamburg und Frankfurt am Main eine Plakatkampagne mit Koransuren und Hadithen in Berliner S-Bahnen: "Liebe für alle - Hass für keinen" lautet das Motto. Eingeladen wird zu weiteren Infoabenden mit Themen wie: Islam heißt Frieden, oder: Die Frau im Islam ist gleichberechtigt. Haben wir es also hier mit einer neuen medialen Präsenz der Muslime in Deutschland zu tun? Gibt es eine neue Qualität religiösen Selbstbewusstseins?

Muslime nicht als minderwertig ansehen

Die Ahmadiyya Muslim Jamaat in Pankow-Heinersdorf. Nachdem sich die Aufregung um den ersten Moscheeneubau in Ost-Berlin vor gut drei Jahren gelegt hat, geht die rund 220 Mitglieder zählende muslimische Gemeinde mit einer vierwöchigen Plakatkampagne an die Öffentlichkeit. 240 S-Bahn-Plakate mit ausgewählten Zitaten sollen klar machen, dass der Islam friedlich ist.

"Es soll kein Zwang sein im Glauben", heißt es zum Beispiel in Sure 2,257. Und vom Propheten Mohammed können die Fahrgäste die Aussprüche lesen: "Der Beste unter euch ist derjenige, der seine Frau am Besten behandelt" und "Wer eine Tochter gut aufzieht und ihr eine gute Bildung und Erziehung angedeihen lässt, erwirbt dadurch das Paradies." Begleitet wird die Kampagne mit Flyern auf denen "Muslime für Frieden, Freiheit, Loyalität" steht. 7.000 Euro kostet die Werbung unter dem Ahmaddiyya-Motto: "Liebe für alle, Haß für keinen." Das sei aber gut angelegtes Geld, ist man sich in der muslimischen Gemeinde sicher.

"Es ist gar nicht unser Ziel, dass Deutsche gewonnen werden. Das Ziel ist, dass Muslime in Deutschland nicht als minderwertig, sondern als gleichwertig angesehen werden. Alle Menschen wollen friedlich miteinander leben", sagt Muhammed Asif Sadiq von der Ahmadiyya Muslim Jamaat. Begleitet wird die Aktion von Vortragsabenden in der Pankower Moschee. Es geht um die Friedensbotschaft des Islam und die Stellung der Frau.

Jesus, Mahdi und Krishna in einer Person

Atia Sadiq aus der Gemeinde hält dazu den Vortrag. Dass sie als Kopftuchträgerin gerade im Osten Berlins auffällt, ist ihr gar nicht unangenehm. "Das möchte ich aber gerade provozieren, dass die Frauen und Männer in der Gesellschaft sich mit dem Islam auseinandersetzen, dass die Lehre des Islams den Frauen schon vor 1.400 Jahren so viele Rechte zugesprochen hat. Diese Rechte müssen heute erkämpft werden, etwa dass Frauen für die gleiche Arbeit weniger Gehalt bekommen", sagt Atia Sadiq, die auch die Frauenarbeit in ihrer Gemeinde organisiert.

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Zur Gemeinde zählen mehrheitlich Pakistanis, zunehmend aber auch deutsche Konvertiten. Die Gottesdienste finden in der Regel zweisprachig statt. Die im 19. Jahrhundert im ehemaligen Britisch-Indien, dem heutigen Pakistan, gegründete Ahmadiyya-Bewegung gilt innerhalb der muslimischen Gemeinschaft als Sekte. In Pakistan wird sie verfolgt. Ihr Gründer Mirza Ghulam Ahmad, 1908 gestorben, wird von den meisten Ahmadis als Prophet Gottes verehrt, in dem sich sowohl Jesus, der islamische Messias Mahdi als auch der hinduistische Gott Krishna zugleich verkörpert haben. Nur eine kleine Abspaltung der sogenannten Lahore-Ahmadis sehen in ihrem Gründer lediglich einen großen Reformer.

In Deutschland gehören der Ahmadiyya etwa 30.000 Gläubige an, weltweit gehen die Schätzzahlen weit auseinander, sie liegen zwische zehn und 100 Millionen. Die Ahmadis haben den gewalttätigen Djihad für beendet erklärt, sie gelten als Pazifisten. Immer wieder betont ihr Berliner Imam Abdul Basit Tariq in seinem Vortrag, dass Islam Frieden bedeute.

"Islam heißt Unterwerfung, nicht Frieden"

Dem aber kann Friedmann Eißler, Islamexperte bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) in Berlin, nicht so ganz zustimmen. Die Behauptung, Islam heiße Frieden, werde nicht dadurch zutreffender, dass man sie oft wiederhole, meint er. Das arabische Wort "Islam" bedeutet Hingabe oder Unterwerfung, nämlich unter den Willen Allahs. Ein Muslim ist also einer, der sich Gott und seinen Geboten ganz und gar "ergibt".

Religionsgeschichtlich habe sich der Islam nicht friedlicher ausgebreitet und nicht friedlicher verhalten als andere Religionen, unterstreicht der Fachmann. Schon zu Mohammeds Lebzeiten, nämlich nach seiner Übersiedlung nach Medina, sei der Islam auch eine politische und militärische Kraft gewesen. Auch müsse man bei aller Betonung der Frauenarbeit die Ahmadiyya als religiös streng konservativ einstufen.

"Die Fürsorge für die Frauen wird zwar positiv dargestellt", sagt Eißler. "Wir haben aber in den Ahmadiyya-Schriften auch klare Aussagen zur Minderwertigkeit der Frau. Sie ist bedürftig, sie braucht die Leitung des Mannes. Es wird das Züchtigungsrecht des Mannes über seine Frau festgehalten. Wir können unter den Ahmadis nicht von Zwangsehen sprechen, aber arrangierte Ehen werden bevorzugt", so der Wissenschaftler.

Haltung: Westen hat abgewirtschaftet

Dass die Ahmadis nun fast zeitgleich mit den Salafisten an die Öffentlichkeit treten und für den Islam werben, ist nur Zufall. Eine Zusammenarbeit der beiden islamisch unterschiedlichen Strömungen im Sinne einer konzertierten Aktion findet nicht statt. Die neuen PR-Offensiven zeigten aber ein neues religiöses Selbstbewusstsein der Muslime in Deutschland. "Die Plakataktion ist schon ein neuer Schritt, das kannten wir so vorher nicht. Es steckt dahinter die Haltung, dass der Westen abgewirtschaftet hat", erläutert sagt Islamexperte Friedmann Eißler. "Der Westen ist dekadent, er ist materialistisch ausgerichtet, er hat die geistigen Werte verloren und braucht jetzt wieder Werte. Im Grunde sind die Werte in der Vollendung der Religion zu finden, und das ist der Islam."