Kassel (epd)Jahrelang fand das Erbe der Brüder Grimm im Palais Bellevue am Rande der Kasseler Karlsaue kaum Beachtung. In geradezu gemütlicher Atmosphäre konnten sich Besucher über Leben und Werk informieren. Als die Stadt 2010 erkannte, dass die beiden Gelehrten ein Pfund für Kassel sind, das auch international vermarktet werden kann, waren die Tage des kleinen Palais' gezählt. Eine moderne Ausstellung musste her, in einem modernen Bau mit einem modernen Konzept. Am 4. September wird die "Grimmwelt" eröffnet.
Brüder Grimm lebten mehr als 30 Jahre in Kassel
Der 20 Millionen Euro teure Neubau auf dem sogenannten Weinberg wird auf insgesamt 1.600 Quadratmeter Fläche das vielschichtige Werk der Brüder Jacob (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859) zeigen, die mit Unterbrechungen mehr als 30 Jahre in Kassel lebten. Die Ausstellung setzt sich aus multimedialen Elementen, Erlebnisinseln für Kinder und ideenreichen Annäherungen an die Gedanken- und Wissenswelt der Brüder zusammen. Zu sehen sind etwa die Original-Handexemplare der Grimmschen Kinder- und Hausmärchen, die zum Weltdokumentenerbe gehören und zahlreiche Kostbarkeiten aus dem Nachlass.
Außerdem bietet das Haus Platz für zwei hochkarätige Kunstwerke: die dreiteilige Installation zum Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm von Ecke Bonck, die er zur documenta 11 schuf, sowie fünf mit Fahrzeugfarben bemalte riesige Baumwurzeln des weltbekannten documenta-12-Teilnehmers Ai Weiwei. Der chinesische Künstler und Bürgerrechtler hatte 2010, als er mit dem Kasseler Bürgerpreis "Glas der Vernunft" ausgezeichnet wurde, dem geplanten Museum ein Geschenk versprochen und dieses Versprechen trotz Arrest in China auch eingelöst.
Multimediale Ausstellung
Ein Ziel sei es auch, den Besuchern die Tätigkeit der Brüder als akribische Sprachforscher vor Augen zu führen, sagt Geschäftsführerin Susanne Völker. Der Rundgang durch das Haus solle sich an den Buchstaben des Alphabets orientieren. Fester Bestandteil wird ein bereits in einer Landessonderausstellung gezeigtes, multimediales "Lebendiges Buch" sein, in das beispielsweise die Grimms eingeblendet über einen Projektor etwas hineinschreiben.
Das Haus solle Touristen, Kulturinteressierte und Schulklassen gleichermaßen ansprechen. Es werde "eine Erlebniswelt auf dem Niveau einer documenta-Stadt sein", formuliert Kassels Oberbürgermeister Bertram Hilgen (SPD) den Anspruch. Neu an der Konzeption ist auch, dass das Flachdach des Gebäudes, auf das eine Treppe führt, 24 Stunden begehbar sein soll. Von oben herab bietet sich ein märchenhafter Blick auf die Heimat der Brüder Grimm und ihrer Geschichten. Und der ist sogar kostenlos.