Heiligengrabe (epd)Zwölf Uhr mittags, die Glocken verstummen. Acht Frauen haben sich mit der Äbtissin in der Kapelle versammelt: Im evangelischen Frauenkloster Stift zum Heiligengrabe beginnt das Mittagsgebet. Im dunklen Sommerkleid mit leichter Jacke steht Friederike Rupprecht am Altar. Während draußen Besucher der brandenburgischen Sommerhitze zu entkommen versuchen und eine Landmaschine das Klostergelände passiert, lädt die 74-jährige promovierte Theologin im kühlen Kirchenraum zu Gesang und Gebet ein.
Am Ende des Jahres kommt der Ruhestand
Es ist der letzte Sommer von Friederike Rupprecht als Äbtissin. Zum Jahresende geht sie in den Ruhestand, im Januar folgt ihr Erika Schweizer nach in dem im Mittelalter gegründeten einstigen Frauenkloster des Zisterzienserordens. Unter dem mit Pflanzenornamenten ausgemalten Gewölbe der Heiliggrabkapelle aus dem frühen 16. Jahrhundert formuliert die Äbtissin ihre Gedanken zu einem Bibeltext.
"Es war eine Art Ruf, eine Berufung", sagt die Theologin über ihre Entscheidung im Jahr 2001. Nachdem ihre Vorgängerin Ingeborg-Maria von Werthern, die in der DDR und dann bis 1995 mehr als 40 Jahre lang das Stift leitete, in den Ruhestand gegangen war, war die Stelle sechs Jahre lang nicht besetzt. Friederike Rupprecht ging als Pfarrerin der badischen Landeskirche in Karlsruhe mit 60 Jahren in den Frühruhestand und sagte dann im Stift zu.
Der historische Ort und der Restaurierungsbedarf hätten sie gereizt. Und sie habe die einstige geistliche Gemeinschaft von Frauen neu aufbauen wollen. Doch das war schwieriger als gedacht. Denn die Frauen müssen selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen. Und bezahlte Arbeit vor Ort gibt es kaum. Neben der Äbtissin leben deshalb derzeit nur zwei Stiftsfrauen am Ort.
Plötzlich mit Landwirtschaft zu tun
Auch eine andere Aufgabe kam hinzu: "Plötzlich hatte ich mit Landwirtschaft zu tun." Rund 1.700 Hektar Wald und rund 1.000 Hektar weiteres Land gehören zum Kloster. Das Land werde verpachtet, sagt die Theologin: "Nur an hier ansässige Landwirte, wir verpachten nicht an Investoren von außen."
Das alte Stifthauptmannshaus ist an eine freie Schule vermietet. Drei Windräder betreibt das Stift und eine Solaranlage. "Wir müssen das Land so bewirtschaften, dass wir die Abtei erhalten und den Betrieb finanzieren können."
Inzwischen sind die meisten der historischen Gebäude restauriert. "Wir haben etliche Millionen verbaut", erzählt die Theologin. Viele Fördermittel sind in das Ensemble des 1287 gegründeten Klosters geflossen, das seit der Reformation Mitte des 16. Jahrhunderts protestantisch ist und von der Bundesregierung in die Liste der Denkmäler von nationaler Bedeutung aufgenommen wurde. Die Abtei ist fertiggestellt, die barocken Häuser am sogenannten Damenplatz auch.
Derzeit wird an der Klosterkirche gearbeitet. Wegen der vergleichsweise geringen Schäden waren nur 120.000 Euro eingeplant. Doch die Äbtissin rechnet jetzt mit mehr, denn hinter der weißen Wandfarbe wurden mittelalterliche Malereien entdeckt. Zu den Schätzen des Klosters gehört eine mehrbändige Ausgabe der Luther-Werke aus dem 17. Jahrhundert. Das Stift Heiligengrabe bietet zudem Seminare, Meditationen, Konzerte, Einkehrtage und Auszeiten für Frauen an.
Verdienstorden des Landes Brandenburg
Es gibt auch Kurioses: ein Kruzifix, der Kern stammt aus dem Mittelalter. Wohl zu DDR-Zeiten versuchte jemand, den angegriffenen Jesus zu retten: Nun ist er sattrosa und trägt eine aus Gummischläuchen gebastelte und mit Nägeln gespickte Dornenkrone. In der Kirche will die Äbtissin den Christus so nicht zeigen. Ob er restauriert werden soll, ist noch offen.
Vor kurzem erhielt Friederike Rupprecht den Verdienstorden des Landes Brandenburg. Nach ihrer Verabschiedung will sie in Heiligengrabe bleiben, als einfache Stiftsfrau. Dass ihre Nachfolgerin Erika Schweizer sich um die eigenen Finanzen keine Sorgen machen muss, weil sie von ihrer westfälischen Landeskirche geschickt und auch weiter bezahlt wird, freut Friederike Rupprecht: "Das ist ein ganz großes Glück!"