Berlin, Dortmund (epd)Einst waren es Kaffeesäcke: Gefüllt mit den Bohnen aus Südamerika haben die mit Sorte und Herkunftsland bedruckten, stabilen Jutesäcke in Europa ihren Zweck erfüllt und werden zu Abfall - meistens jedenfalls. Einige beginnen indes in Berlin ein zweites Leben als Hut: Berliner Designer nähen aus den rauen Jutesäcken Schiebermützen, Baseball-Kappen und klassische Porkpie-Hüte.
Aus Müll entsteht etwas Hochwertiges
Von innen werden sie mit Stoffen gepolstert, die bei anderen Designern als Reste angefallen sind. "Upcycling in Reinform: Aus vermeintlichem Müll entsteht etwas ganz Neues und Hochwertiges - das Gegenteil von Müll", sagt Stefan Korn vom Online-Händler "Upcycling-Deluxe" über die Kaffeesack-Hüte, die das Unternehmen produzieren lässt.
Die Kopfbedeckungen gibt es ab 39 Euro. Sie sind schon seit einiger Zeit ein "Topseller" des Berliner Unternehmens, das ausschließlich Dinge verkauft, die nach dem Prinzip Upcycling entstanden sind. Anders als beim Recycling, bei dem weggeworfenes Material zur Wiederverwendung aufbereitet wird, entsteht beim Upcycling aus dem Müllmaterial selbst ein neues Produkt.
Durch Upcycling sollen vermeintlich ausgediente Materialien mit neuen Verwendungsideen aufgewertet werden. So soll die Verschwendung natürlicher Ressourcen durch Neuproduktionen vermieden werden. Die Grundidee ist in der US-amerikanischen Umweltbewegung entstanden. Schönheit und Nutzen der Produkte aus Müllmaterialien waren hier von Anfang an genauso wichtig wie die Nachhaltigkeit. Das sagt auch Stefan Korn über sein zusammen mit drei Freunden gegründetes Unternehmen: "Wir sind keine NGO, sondern wir verkaufen nachhaltig hergestellte Designer-Produkte." Fair und öko sei zwar wichtig - Design aber ebenso.
1.500 solcher Produkte von rund 50 Herstellern hat "Upcycling Deluxe" im Sortiment. "Es gibt auch in Deutschland mittlerweile mehr Händler und Designer mit Upcycling-Ideen, als wir aufnehmen können", sagt Korn. Als die Berliner im Jahr 2013 ihr Unternehmen gegründet hatten, sei die Upcycling-Idee in Deutschland noch weitgehend unbekannt gewesen: "Da tut sich gerade was."
Upcycling noch relativ unbekannt
Das Wort Upcycling kennt allerdings bisher kaum jemand, zeigt eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Ökostromanbieters NaturEnergiePlus. Gerade einmal zwölf Prozent der Verbraucher in der Stichprobe von 2014 kannten den Begriff. Allerdings sehen die hier Marktforscher Potenzial: Drei Viertel der rund 1.000 Befragten haben schon mal ein aus Abfall neu hergestelltes Produkt gekauft oder können es sich vorstellen.
Der Preis spielt dabei offenbar keine große Rolle - das sagen die Befragten der Marktstudie. Auch die Händler können das bestätigen. "Designprodukte sind natürlich teurer als Massenware", sagt Friederike Chase vom Online-Marktplatz "Zweitsinn", der seit zehn Jahren Upcycling-Möbel vertreibt. Produkte wie ein Fußhocker aus einer Weinkiste können dann auch mehr als 100 Euro kosten, Schränke aus alten Ölfässern das Vierfache. "Es steckt ja immer Handarbeit darin." Die klassischen Upcycling-Kunden erwarteten aber keine Discount-Preise, neben der Nachhaltigkeit ginge es ihnen um die Individualität der Produkte. "Sie wollen etwas Schönes mit Sinn", sagt Chase.
Trend kommt langsam in Deutschland an
Als "Recycling-Design-Portal" beschreibt sich das Dortmunder Unternehmen. "Upcycling kannte ja bei der Gründung hier noch niemand", erklärt Chase. "Obwohl die meisten unser Händler genau das machen." Auch bei dem Dortmunder Online-Marktplatz ist das Sortiment gewachsen. "Der Upcycling-Trend ist endlich auch in Deutschland angekommen", so Chase. Deshalb gibt es bei "Zweitsinn" auf dem einst reinen Möbel-Portal inzwischen auch andere Upcycling-Produkte: Umhängetaschen aus abgelegter Bergmannskleidung, Schalen aus ausgehärteten Plastiktüten oder Tischlampen aus alten Kaffeekannen.