Außenseiter und Auserwählter
Harry-Potter-Autorin J. K. Rowling wird 50
Joanne K. Rowling steht für einen beispiellosen Erfolg: Millionen Leser hat sie mit ihren Harry-Potter-Geschichten verzaubert. Mit der Geschichte des auserwählten Waisen schrieb sie auch gegen eigene Traumata an, meint Psychiater Peter Subkowski.

Köln, Bremen (epd)Der 13-jährige Joshua aus Köln ist bekennender Harry-Potter-Fan: "Ich habe alle Bücher gelesen und die Filme natürlich schon unendlich oft auf DVD gesehen." In seinem Zimmer stehen der Hogwarts-Express und Schloss Hogwarts aus Lego. Die Titelmusik der Harry-Potter-Filme spielt er auf dem Klavier. Er ist mit einem Harry-Potter-Schachspiel und mehreren Harry-Potter-PC-Spielen ausgestattet. Und selbstverständlich war er vergangenes Jahr in der Harry-Potter-Wanderausstellung, als diese in Köln zu sehen war: "Das war schon cool, all die Original-Kostüme aus den Filmen."

450 Millionen Bände verkauft

Joshua ist einer von Millionen Fans, die von der "Pottermanie" voll erfasst wurden. Weltweit sind bislang mehr als 450 Millionen Exemplare der sieben Harry-Potter-Bände verkauft worden, davon über 30 Millionen in deutscher Sprache. Die Verfilmung der Buchvorlage ist mit einem Gesamteinspielergebnis von 7,7 Milliarden Dollar die kommerziell erfolgreichste Filmreihe. Autorin Joanne K. Rowling war alleinerziehende Mutter eines Kleinkindes und lebte von Sozialhilfe, als sie den ersten Band schrieb. Harry Potter soll sie zur Milliardärin gemacht haben - was sie allerdings abstreitet.

Wie hat Rowling, die am 31. Juli 1965 im englischen Yate in der Grafschaft South Gloucestershire geboren wurde, das nur geschafft? "Sie hat einfach einen Nerv getroffen", sagt Jonas Hahn (27), der im Jahr 2001 als 13-Jähriger zusammen mit einem Freund Deutschlands größte Harry-Potter-Fan-Website gründete und sie immer noch betreut (www.hp-fans.de).

"Sie bedient sich eines Genres, das sich zwischen Fantasy, Krimi und Schulgeschichte bewegt. Und das funktioniert." Zudem, sagt Hahn, durchlaufe der Roman eine interessante Entwicklung: "Die Bücher machen einen enormen Sprung vom ersten Band, bei dem es sich um ein Kinderbuch handelt, zu einem grausamen Thriller am Ende des letzten Bandes, der ohne Zweifel zur Erwachsenenliteratur gehört. Und so packt sie nicht nur jugendliche Leser, sondern auch deutlich ältere gleichermaßen."

Das große Geheimnis von Rowlings Erfolg sei eigentlich gar kein Geheimnis, sagt Tobias Kurwinkel, Leiter des Arbeitsbereichs Kinder- und Jugendliteratur an der Universität Bremen: "Harry Potter ist sowohl in seiner Struktur als auch seiner Motivik eigentlich völlig im Einklang mit allem, was wir so in der Kinder- und Jugendliteratur kennen", sagt der Wissenschaftler, der regelmäßig Harry-Potter-Seminare anbietet.

Klassische Erzählstruktur

Harry sei gleichzeitig Außenseiter und Auserwählter, wodurch er seinen Lesern viel Identifikationsfläche biete. "Rowling geht hier ganz klassisch vor", sagt Kurwinkel: "Harry ist Vollwaise, hat keine Freunde, wächst bei seiner bösen Tante auf und wird dann zu einer Art Messias, der mit seinem Zauberstab Wunder vollbringt und der einzige ist, der die Welt vor dem Bösen retten kann."

Christliche Motivstrukturen zögen sich durch den ganzen Roman, sagt Kurwinkel, der auch Chefredakteur von www.kinderundjugendmedien.de ist, einem Internetportal zur Forschung in der Kinderliteratur: "Harry wird etwa einmal wie Moses in einem Körbchen ausgesetzt. Und er überwindet am Schluss sogar den Tod, während Voldemort, der seine Seele verkauft hat, von Anfang an dem Untergang geweiht ist."

Für den Psychiater und Psychotherapeuten Peter Subkowski liegt der Grund für den Erfolg der Bücher darin, dass "es Rowling gelingt, ein zeitlos wirkendes Märchen zu schreiben". Es beschreibe "die archetypische Bewältigung eines Traumas mit anschließender erfolgreicher psychischer Entwicklung": Aus dem unsicheren und durch den Verlust der Eltern traumatisierten Außenseiter Harry wird der gereifte Held, der die Welt errettet.

Rowling war selbst Außenseiterin

Subkowski erkennt deutliche autobiografische Züge. So verarbeite Rowling in ihrem Werk auch eigene Traumata: "Sie hatte in der Schule selbst große Probleme und war Außenseiterin. Und als sie 1990 am ersten Band arbeitete, war gerade ihre Mutter im Alter von nur 45 Jahren gestorben", sagt Subkowski, der mehrere psychoanalytische Fachartikel zu den Büchern verfasst hat.

Rowling ist längst zu ähnlichen Höhen aufgestiegen wie ihr Romanheld: Aus der arbeitslosen Sozialhilfeempfängerin wurde eine reiche Frau, die mit ihren Werken Millionen von Lesern verzauberte. Und offenbar fand sie auch privat ihr Glück: Seit 2001 ist sie mit dem Arzt Neil Murray verheiratet und mittlerweile Mutter dreier Kinder.

Über die Wohltätigkeitsorganisation Lumos unterstützt sie Hilfsprojekte für Kinder und schreibt mittlerweile auch für Erwachsene, unter dem Pseudonym Robert Galbraith. Aber ganz lässt Harry sie wohl nicht los: Im Juni kündigte Rowling an, dass es im Sommer 2016 ein Theaterstück in London Premiere feiern wird: "Harry Potter und das verwunschene Kind".